FLUGHAFEN TEGEL: Mehr Fluglärm ist möglich
600 Flüge am Tag, verteilt auf 17 Stunden. Nun trafen sich im Rathaus Reinickendorf Fluglärmgegner, um eine Bürgerinitiative zu gründen.
Monika Matalik, Psychotherapeutin in Tegel, hat die Vernetzung der von Fluglärm Betroffenen rund um den Flughafen im Norden initiiert. Anfang Februar waren es 6 Leute, jetzt sind es 130. Denn die Unbedingtheit, mit der die Fluglinien und die Politik den Menschen um TXL immer mehr Lärm zumutet, treibt sie auf die Barrikaden.
Am Samstag trafen sich die Fluglärmgegner im Sitzungssaal des Rathauses Reinickendorf mit der gewölbten, goldblauen Decke, dem dunklen Mobiliar. Die meisten grauhaarig – Westberliner, die lange zum Flughafen standen. „Jetzt können wir nicht mehr“, sagt einer. Er wohnt in der Schwarnweberstraße – dort kriegt er alle ein- und ausfliegenden Flugzeuge ab.
Etwa 600 Flüge am Tag, verteilt auf 17 Stunden. Dazu noch die 135 Nachtflüge allein im März. Ein paar Jüngere sind auch da, einer von einer Baugruppe in Pankow, einer aus dem französischen Viertel, wo früher die französischen Alliierten lebten. Er hat eine provisorische Website gestaltet: www.tegelschliessen.de. Noch fehlen die Inhalte.
Rolf-Roland Bley, Fluglärmgegner aus Staaken und seit 20 Jahren Mitglied der Fluglärmschutzkommission Tegel des Senats, rüttelt die Lärmgeplagten mit Zahlen wach. Für die Auslastung eines Flughafens seien Koordinierungseckwerte festgelegt. Für Tegel gelten 52 Flugbewegungen pro Stunde. Das macht 884 Flugbewegungen am Tag. Solange es nicht so viele Starts und Landungen gebe, könne keine Fluggesellschaft abgewiesen werden, meint er. Informationen darüber, wie die absurd hohe Zahl für einen Flughafen mitten in einem dicht bebauten Wohngebiet zustande kam, wurden ihm verwehrt.
Seine Ausführungen bestärken die Anwesenden, sich nicht mit einer Vereinsgründung aufzuhalten, sondern zu handeln: mit Protestbriefen, Öffentlichkeitsarbeit, Aktionen. Pankower haben eine offene Facebookseite gestartet: facebook.com/danketegel. Nach gut einer Woche hat sie schon fast tausend Follower.
Und die Lobbyisten, die Tegel offen halten wollen, müsse man im Auge behalten. Matalik wünscht sich eine Demo vor Mehdorns Haus. Ein neues Gutachten aus dem Verkehrsministerium widerspricht dem FDP-Gutachten, dem zufolge Tegel länger offen bleiben könne. Wann der BER geöffnet wird, weiß allerdings niemand. „Noch drei Jahre dieser Krach, wer kann das aushalten“, sagt einer, der auf Krücken humpelt. Taxifahrer ist er und zum ersten Mal hier.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“