FDP-Vorschlag für Nulltarif bewegt die Stadt: Freie Fahrt für freie Bürger
Linkspartei und CDU stützen FDP-Antrag: Die fordert für April freie Fahrt in Bus und Bahn und eine Begleituntersuchung. Zahlen soll die S-Bahn. Verkehrsclub winkt ab: Was nichts kostet, sei auch nicht wert.
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Selten hat ein FDP-Antrag Zuspruch aus so unterschiedlichen Lagern bekommen. "Eine lohnenswerte Überlegung" heißt es bei der Linkspartei, "wünschenswert", urteilt die CDU über den Vorstoß zum Thema S-Bahn-Entschädigung. Der sieht freie Fahrt im nächsten April vor, verbunden mit einer wissenschaftlichen Untersuchung zu Auswirkungen des Nulltarifs. Zahlen soll die S-Bahn als Wiedergutmachung für das Chaos (taz berichtete). Für die Grünen ist ein Monat zu kurz, um verlässliche Ergebnisse zu bekommen. Wie der Verkehrsclubs Deutschland meinen sie: "Was nichts kostet ist auch nichts wert.
Forderungen nach freier Fahrt hat es schon vorher gegeben. Neu ist am FDP-Vorschlag, parallel dazu das tatsächliche Fahrgastpotenzial und Fahrgastströme zu erfassen. Am Donnerstag steht das Thema im Plenum des Abgeordnetenhauses an. Die verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Jutta Matuschek, mag sich vorab nicht abschließend festlegen, hält die Idee aber grundsätzlich für interessant. Andere Untersuchungen würden allerdings besagen, dass nicht der Preis, sondern Verlässlichkeit oder eine nahe Haltenstelle ausschlaggebend seien.
Der Chef des Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB), Hans-Werner Franz, stützt diese These nur zum Teil. Zwar könne öffentlicher Nahverkehr tatsächlich nur dann erfolgreich sein, wenn nicht nur der Preis, sondern auch Qualität und Angebot stimmen. "Unsere Leute hier sind aber sehr preissensibel", sagt Franz. Preisanstiege seien sofort in den Fahrgastzahlen spürbar. Aus diesem Grund hielte er eine Untersuchung zum Nulltarif für "wahnsinnig interessant". Dass es dazu kommt, glaubt Franz allerdings nicht: "Wir haben keine rechtliche Möglichkeit, die Deutsche Bahn zu verpflichten, irgendetwas in diese Richtung zu unternehmen."
Dem SPD-Verkehrsexperten Christian Gaebler ist die Sache zu teuer: In einem Monat fielen rund 75 Millionen Euro an Einnahmen weg. "Das Geld ist mir dafür zu schade, das ließe sich an anderer Stelle sinnvoller einsetzen." Für ihn geht der Antrag zu Lasten der S-Bahn-Stammkunden, die unter dem Chaos zu leiden haben. Die müssten von einer Entschädigung profitierten, "und nicht die, die dann spaßeshalber mal einen Monat lang mit Bus und Bahn fahren."
Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) lehnt den FDP-Antrag grundsätzlich ab. "Wir sind generell nicht dafür, dass der öffentliche Nahverkehr kostenlos ist", sagt VCD-Referentin Heidi Tischmann. Verkehr koste Geld, und das müsse man auch spüren. Zudem würde ein Nulltarif zu einem Ansturm führen, den die Busse und Bahnen nicht bewältigen könnten. "Das ist eher abschreckend, als dass es motiviert, das Auto stehen zu lassen."
Grünen-Verkehrspolitikerin Claudia Hämmerling sieht das ähnlich. "Das klingt erstmal gut, ist aber nicht praktikabel." Statt eines Nulltarif sollte es andere Anreize geben, auf das Auto zu verzichten, etwa Straßenmaut.
1997 hatte die 16.000-Einwohner-Stadt Templin Schlagzeilen gemacht, als sie aus einem defizitäre System den "fahrscheinfreien Stadtbusverkehr" machte. Binnen zwei Jahren verzehnfachte sich die Fahrgastzahl. Die Kosten deckte die Stadt über ihre Kurtaxe und Parkgebühren. Einheimische zahlen inzwischen wieder - mit 44 Euro für eine Jahreskarte aber weniger, als anderswo eine Saisonkarte fürs Freibad kostet. Europaweites Vorbild ist die belgische Stadt Hasselt mit 68.000 Einwohnern. Sie verzichtete auf weiteren Straßenbau und finanzierte stattdessen ein Bussystem zum Nulltarif.
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