FDP-Shootingstar Daniel Bahr: Der liberale Seiltänzer
Daniel Bahr ist trotz steiler Karriere in der FDP kaum bekannt. Mit 34 Jahren wird er jetzt Nachfolger seines Freundes Philipp Rösler als Gesundheitsminister.
BERLIN taz | In Daniel Bahrs Staatssekretärsbüro, gleich neben der Sitzgruppe, hängt ein großes Ölbild an der Wand. Es zeigt einen Mann auf einem Drahtseil, der über einer Menschenmenge balanciert. Ein Gemälde von 1975, von einem sowjetischen Maler. Ein Geschenk von Bahrs Vater. Er unterrichtete Anfang der 90er Jahre an der Polizeiführungsakademie, auch Leute aus der ehemaligen Sowjetunion. Der Sohn hat den kaum verhüllten Ratschlag des Vaters beherzigt.
Bis heute ist Bahr junior kein einziges Mal beim Balanceakt über immer tieferen politischen Abgründen abgestürzt. Der 34-Jährige hat eine steile Karriere hinter sich, die so derzeit nur in der personell geschwächten FDP möglich ist. Vom konservativen Münsterland aus arbeitete sich der gelernte Bankkaufmann und Volkswirt bis zum Vorsitzenden der Jugendorganisation Junge Liberale (JuLis) hoch. Er blieb es fünf Jahre, bis 2004.
Seit 2002 ist Bahr im Bundestag, wurde später gesundheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Mit der Regierungsübernahme 2009 folgte Bahr seinem Freund aus JuLi-Tagen, Philipp Rösler, als Parlamentarischer Staatssekretär ins Bundesgesundheitsministerium. Nach der FDP-Niederlage bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen vor einem Jahr errang der Mittdreißiger die Macht im größten Landesverband der Partei.
An Bahr kommt heute niemand mehr vorbei. Nun wird der Mann, der abseits von Polittalkshows und Parlamentsdebatten wenig bekannt ist, auch offiziell einer der mächtigsten Politiker des Landes: Er soll Rösler im Amt des Bundesgesundheitsministers folgen.
Bahr gilt ohnehin als Mann hinter den Reformen des Ministers. Als Experte für die zähen Debatten mit Pharmafirmen und Krankenkassen, als Mann für die entscheidenden Details.
Als die FDP noch in der Opposition war, konnte ihr Gesundheitsexperte offen erklären, welches Gesundheitssystem ihm vorschwebt. Noch 2008 schwärmte Bahr davon, die gesetzliche Krankenversicherung zu einer Art Grundversorgung schrumpfen zu lassen. Für alles andere sollten die Bürger private Zusatzversicherungen abschließen. Das wäre das Ende des Solidarsystems. Die Öffentlichkeit wird den bislang kaum Bekannten also sehr schnell kennen lernen.
Leser*innenkommentare
Gibbus
Gast
Mit seiner 2008 Wahnidee, die Kassen schrumpfen zu lassen, zeigt er doch das wahre Vorhaben der stümpernden Regierungspolitik.
Einem solchen Wannabe das Gesundheitsressort zu überlassen,
grenzt m.E. an das Bild, wie der berühmte Bock zum Gärtner gemacht wird.
Wolfgang Bieber
Gast
Philipp Rösler will in den elektoralen Pop-Olymp. Dabei soll ihm seine neue FDP-Boygroup helfen. Doch Groupies allein machen noch keine Band; auch nicht, wenn sie Daniel Bahr heißen:
http://bit.ly/mD4Mj4
Jared J. Myers
Gast
An Herrn Bahr erinnere ich mich noch sehr unangenehm als "Erfinder" des Elterngeldes. Seine Idee war - als überzeugter Sozialdarwinist - dass "die falschen (nämlich armen; d.A.) Leute Kinder kriegen". Logische Konsequenz: Man möge doch die Reichen für's Kinderkriegen belohnen und den Sozialfällen die Hälfte des ihnen damals zustehenden Erziehungsgeldes nehmen.
So geschehen später durch U. v.d. Leyen, Tochter Ernst Albrechts und leuchtendes Vorbild für reiche Kinderkrieger.
Zeitgleich zu Herrn Bahrs Vorschlägen tauchte die Lüge von der Kinderlosigkeit der Akademikerfrauen auf; obendrein wollte man uns glauben machen, die demographische Altersverteilung in Deutschland sei Schuld am allmählichen Kollaps des Sozialsystems, das angeblich aus den Fugen geriete.
Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass nicht die ErwerbsFÄHIGEN, sondern die Anzahl der ErwerbsTÄTIGEN die Alterssicherung tragen; die Höhe der Renten ist eine Funktion der geleisteten Arbeitsstunden und der Höhe der Gehälter und Löhne. Weiterhin weiß man, dass die Soziallasten seit den 60er Jahren einen konstanten Anteil des BNP ausmachen.
Das Elterngeld, das seine Existenz rechten deologien verdankt, wurde seltsamerweise nicht wieder abgeschafft.
Celsus
Gast
Die gesetzliche Krankenversicherung soll also zu einer Art Grudnversorgung schrumpfen. Das ist die Fortführung der Zerschlagung der Sozialversicherung. Immer höhere Risiken müssen dann privat abgesichert werden.
Anders herum gesehen, wird es auch den besseren Risiken als ersten ermöglicht, sich privat versicherun zu lassen. Wer dann mit dem Utnerton der Verwunderung von schlechten Zahlen der Sozialversicherung nach fortgesetzten "Verbesserungen" der schwarz-gelben Regierung spricht, versteht nichts von diesem System, will nichts davon verstehen und lässt lieber Menschen leiden, als den Privaten eine Einnahme entgehen zu lassen.