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FDP-ParteitagWesterwelle in der Zeitmaschine

Mit Verve beschimpft FDP-Parteichef Guido Westerwelle die neue Linkspartei. Richtig in Fahrt kommt sein Parteitag dennoch nicht: Der FDP fehlen Kontroversen.

Zeitmaschine an: Westerwelle gedenkt auf Parteitag dem 17. Juni 1953 Bild: ap

Liberale in der Zeitmaschine

Mit Verve beschimpft FDP-Parteichef Guido Westerwelle die neue Linkspartei. Doch richtig in Fahrt kommt der Parteitag der Liberalen in Stuttgart nicht. Inhaltliche Kontroversen fehlen. Denn die FDP will vor allem eins: zurück an die Macht

AUS STUTTGART KATHARINA KOUFEN

Für FDP-Chef Guido Westerwelle steht der Feind derzeit links. Daran hat er am Wochenende auf dem Parteitag in Stuttgart keinen Zweifel gelassen. Fast fühlten sich die Delegierten wie in einer Zeitmaschine: Erst beschimpfte Westerwelle die "Neosozialisten", eine "modrige Leiche wiederzubeleben", dann beschwor er selbst die Schreckgespenster aus der Zeit des Kalten Krieges. "Freiheit statt Sozialismus", rief er seinen Leuten zu wie damals die Union 1976 ihren Wählern - so, als sei das demokratische System ernsthaft in Gefahr.

Westerwelle ist dankbar, dass die Linken ihm diese Steilvorlage liefern. Denn ansonsten passiert nicht viel an diesem 58. Ordentlichen Parteitag der FDP in der Stuttgarter Porsche-Arena. Kontroversen gibt es kaum. Zu den Wahlen von Vorstand und Präsidium treten keine Gegenkandidaten an. Westerwelle steht als Parteichef einsam an der Spitze. Seine Partei hat zugelegt, seit Westerwelle sie führt. Zuletzt lag sie bei der "Sonntagsfrage" fast immer im zweistelligen Bereich. Westerwelle wird am Freitag mit 87,6 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt.

Und dennoch sind nicht alle Delegierten zufrieden. Die Partei brauche mehrere Köpfe, die für unterschiedliche Themen stünden und in der Öffentlichkeit wahrgenommen würden, kritisiert Johannes Vogel, der Vorsitzende der Jungen Liberalen. Auch gilt Westerwelle vielen immer noch als glatt, seelenlos und beliebig. "Man weiß nie, was er wirklich denkt", hört man Teilnehmer in den Kaffeepausen kommentieren, "er steht nicht wirklich für ein Thema".

Auch über die Rede des Vorsitzenden am Freitagvormittag gehen die Meinungen auseinander. In seiner Wortwahl ist er für einige der Parteikollegen eindeutig zu weit gegangen. Der Altliberale Burkhard Hirsch wirft Westerwelle "Verzerrung der politischen Wirklichkeit" vor. Die wirklichen Probleme des Landes, zum Beispiel Generationengerechtigkeit und Klimawandel, kämen zu kurz. Auch die Bundestagsabgeordnete Miriam Gruß findet: "Es war okay, sich mal mit der Linken auseinanderzusetzen, aber zur Mobilisierung der Mitte braucht man auch Inhalte."

Abgesehen von Westerwelles Kommunisten-Hatz fehlt dem Parteitag so etwas wie ein ordentlicher Streit. Es gibt eine kleine Debatte zum Thema Erbschaftsteuer. Einige Abgeordnete fordern deren Abschaffung, andere wollen die Entscheidung den Ländern überlassen. Ein wenig umstritten ist auch das Thema Kinderbetreuung. Generalsekretär Dirk Niebel fordert in einem Leitantrag, Familien mit Kleinkindern mit Geld statt mit Betreuungsgutscheinen zu unterstützen. Als Liberaler solle man jedem Elternpaar auch die Entscheidung offenlassen, ein Kind zu Hause zu betreuen.

Die Familienpolitikerinnen wie Ina Lenke, Miriam Gruß und Mieke Senftleben halten dagegen, dass Bildung schon im Kleinkindalter beginne. Außerdem könne niemand garantieren, dass Eltern eine solche "Herdprämie" auch im Sinne des Kindes ausgeben. Senftleben: "Die Herdprämie der CSU heißt deshalb bei uns in Berlin auch Schnapsgeld."

Über allen Redebeiträgen hängt in Stuttgart eine unsichtbare Sprechblase: Wir wollen endlich wieder regieren, steht darin. Westerwelles Euphemismen von "der größten Oppositionspartei" können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die FDP in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird - und darunter leidet. In Stuttgart hat Westerwelle mit seinem guten Wahlergebnis den Auftrag bekommen, seine Partei wieder an die Macht zu führen. Auf die Frage, ob er seinen Platz räumt, wenn es 2009 wieder nicht klappt, antwortet er - natürlich- nicht. Er grinst nur und sagt: "Schreiben Sie: Westerwelle will regieren."

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