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FDP-Parteitag in FrankfurtSieben Stunden für die Aussprache

In Frankfurt treffen sich die Liberalen zum Parteitag. Eine Menge Frust wird abgebaut werden müssen. Die Bildungsthesen der FDP geraten da wohl zur Fußnote.

Würde es am Wochenende auch um seinen Posten gehen, sähe sein Wahlergebnis bestimmt nicht so glänzend aus: FDP-Chef Philipp Rösler. Bild: dapd

BERLIN taz | Wenn diesen Sonntag Wahlen wären, käme die FDP auf 3 Prozent. In den zwei Jahren ihrer Regierungsbeteiligung hat die Partei also 11 Prozentpunkte an Wählerstimmen auf freier Strecke verloren.

Wenn an diesem Sonntag die Liberalen ihren Vorsitzenden im Amt bestätigen müssten, hätte wohl auch Philipp Rösler mit erheblichen Verlusten zu rechnen. Kein Wunder, beim Rostocker Parteitag im Mai haben ihn die Delegierten mit DDR-volkskammerverdächtigen 95 Prozent gewählt und in einem Akt der Rebellion Guido Westerwelle hinweggefegt.

Damals hat der Niedersachse Rösler den Delegierten versprochen, die FDP den Wählern nicht länger als "Ein-Thema-Steuer-Partei" zuzumuten, und am Ende rief er ihnen gar zu: "Ab heute wird geliefert!"

Dieses Wochenende, genau ein halbes Jahr später, treffen sich die Freidemokraten in Frankfurt zum Außerordentlichen Bundesparteitag. Eigentlich wurde er anberaumt, um die "13 Thesen zur liberalen Bildungspolitik" zu diskutieren und zu verabschieden - die waren in jenen turbulenten Maientagen einfach von der Tagesordnung gekippt worden.

Diesmal halten die Bildungsthesen als Grund her, sich zu treffen und die Lage der FDP zu besprechen. Den größten Zeitraum hat die Parteitagsregie den Punkten "Rede des Bundesvorsitzenden" sowie "Aussprache zur Rede des Bundesvorsitzenden" eingeräumt: sieben Stunden.

Die Liberalen haben eine Menge zu besprechen. Gut möglich, dass die Delegierten die Aussprache zum Frustabbau nutzen und der Führung ihren ganzen Ärger über deren politische Lähmung und die damit verbundene Demütigung um die Ohren hauen. Denn aus dem von Rösler angekündigten Aufbruch ist nichts geworden, im Gegenteil.

Man liefert sich in der Eurofrage inzwischen offene Gefechte. Vor wenigen Tagen wurden die Unterlagen für den Mitgliederentscheid versandt - die FDPler sollen darüber entscheiden, ob sie die Linie der Parteiführung oder die der Eurogegner um den Abgeordneten Frank Schäffler vertreten.

Der lehnt die Verlängerung oder Erweiterung des Eurorettungsschirms ab. Gewinnt er die Abstimmung, was kurz vor Weihnachten klar sein wird, steht Schwarz-Gelb wohl vor dem politischen Aus. Gegen die Basis könnten die liberalen Lieferanten keine Politik machen.

So lange simuliert die Koalition noch so etwas wie Konsistenz. Die CDU wie die FDP betreiben ein Quäntchen Wählerberuhigung: hier ein bisschen Herdprämie, da ein wenig Straßenausbau bei der Union. Und die FDP liefert ein Pflegereförmchen und ein 6-Milliarden-Steuerpäckchen. Die Wähler verstehen das nicht: Müsste die FDP jetzt nicht eher die Taschen zuhalten, statt die mittleren Einkommen von Centbeträgen zu entlasten?

Am Sonntag schließlich stehen in Frankfurt doch noch die erwähnten Bildungsthesen auf der Tagesordnung. In anderen politischen Wetterlagen wären sie ein echter Aufreger. Die Partei debattiert darin, die Kultusministerkonferenz aufzulösen oder zumindest zu reformieren. Außerdem wollen manche den Bildungsföderalismus aufweichen, damit der Bund unmittelbar in Bildung investieren kann. Dafür, dass dafür das sogenannte Kooperationsverbot aufgehoben wird, würden einige in der Partei sogar das Grundgesetz ändern.

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3 Kommentare

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  • W
    Wolfgang

    "Sieben Stunden für die Aussprache"

     

    Aber: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.

  • JW
    Jetzt wird geliefert

    Wenn ich Pirat wäre (was nicht jeder sein darf oder sollte wie die Parteien-Geschichte zeigt), hätte ich vor Wochen schon eine Appstimm-App organisiert wo jede Basis jeder Partei sich ihre Appstimmungen selber ohne Big Boni Bosse organisieren kann. Wenn ein Verfassungsrichter die Wahl freigibt (also keine Appstimmungen wie "Sollen Nasepopler auf dem Parteitag und Ausländer die Schwarz fahren nach Afghanistan ausgeflogen werden" o.ä.) wird sie durchgezogen. Die Umfrage ist natürlich nur unverbindlich. Das Ziel ist aber immer, möglichst nah ans echte Ergebnis (mit monatelanger Briefwahl) dranzukommen und auch Alternativen in die Diskussion zu bringen wenn genug dafür voten.

    Das ist technisch trivial. Leider will es keiner protektionieren und seinem Gegner die Basis-Demokratisierung verpassen.

    Daran würde man die Parteien erkennen die Regierungs-unwürdig sind und jeder müsste Linux loben. FSF, Piraten, EFSF, digiges, Gewerkschaften, Netzwerk Recherche usw, haben leider kein Interesse :-( Eigentlich sollten nur demokratiefreie lupenreine Top-Down-Basta-Diktaturen dagegen sein und damit das perfekte Ziel für Basis-Appstimm-Apps (und natürlich auch per Web und TV).

     

    Ich würde z.B. einen Antrag wie "Was haste schon geliefert ? Mach mal eine Liste." stellen und er müsste es (bei Annahme durch die Basis oder Delegierten) auf seiner Webseite verkündigen.

  • WB
    Wolfgang Banse

    FDP tritt auf der Stelle

    Die FDP,Partei er Schönen und Reichen,der Unternehmer tritt nach wie vor trotz neuen Kopfes an der Pateiführung auf der selben Stelle,was das Ansehen fer Partei betrifft,die sich am Abgrund befindet.

    Viele haöten die FDP für überflüssig,überholt.Jede Partei hat ein Wirtschaftsprogramm,jede Partei verbirgt in sich den Liberalismus.

    Parteichef Rösler täte gut daran,dass umstrittene kirchenfeindliche Papier der FDP zu verwerfen.Es geht auch um seine Glaubwürdigkeit als geouteter Christ,katholischer Christ.

    Eine Auszeit,eine Neugründung der FDP mit Inhalten wie des Freiburger Programms täte der in Desaster geratenen FDP gut.