FDP-Kritik am Polizeieinsatz: "Es wird ein Nachspiel geben"

Massiv angreifende Demonstranten standen teilweise unkoordiniert vorgehenden Polizisten gegenüber, bilanziert Björn Jotzo, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion.

Der 34-jährige Jurist sitzt seit 2006 für die FDP im Berliner Abgeordnetenhaus. Er ist stellvertretender Vorsitzender und innenpolitischer Sprecher der Fraktion.

taz: Herr Jotzo, wie lange waren Sie am 1. Mai unterwegs?

Björn Jotzo: Von 20 bis 2 Uhr.

Sie haben also die Auseinandersetzungen mitbekommen?

Den Anfang habe ich am Monitor des Polizeipräsidiums mitbekommen. Gegen 21.30 Uhr bin ich raus nach Kreuzberg gefahren, um mir das Ganze vor Ort anzusehen.

Wer war Ihrer Meinung nach für die Auseinandersetzungen verantwortlich: die Demonstranten oder die Polizei?

Was die Wiener Straße anging, gab es eine ganz klare Gewalttätigkeit aus der Veranstaltung heraus. Ursache soll angeblich das Verhalten der Polizei tagsüber gewesen sein, das kann ich nicht beurteilen. Auf alle Fälle gab es massive Steinwürfe aus der Menge heraus und Angriffe auf ungeschützte Verkehrspolizisten und auf die Antikonfliktteams. Ich sehe es als absolut ungerechtfertigt an, was da passiert ist - das ist auch durch nichts zu entschuldigen.

Wie beurteilen Sie das Vorgehen vonseiten der Polizei?

Ich hatte den Eindruck, dass man mit der Härte der Auseinandersetzung nicht gerechnet hatte. Aber ich finde, die Polizei hat an dieser Stelle angemessen auf die Ausschreitungen reagiert.

Ging die Polizei härter vor als noch im vergangenen Jahr?

Das erschien mir beim zweiten Teil der Veranstaltung so, ab ungefähr 22.30 Uhr in der Adalbertstraße. Ich nehme an, dass das zwei Ursachen hatte. Das eine dürfte die vorausgehende Entwicklung gewesen sein. Auf der anderen Seite erschien mir das Handeln der Polizei nicht so überlegt und verhältnismäßig, wie das in den vergangenen Jahren der Fall war. Damals wurde viel gezielter auf Gewalttäter zugegangen, um sie dann zu verhaften. Das ist ab 22.30 Uhr in der Adalbertstraße nicht so gut gelungen. Da hatte ich den Eindruck, dass die Polizei weniger fokussiert und weniger koordiniert vorgegangen ist.

Was ist Ihnen in dieser Nacht in Kreuzberg sonst noch aufgefallen?

Gegen 22.15 Uhr wurde die Adalbertstraße abgeriegelt: Ein hoher Bundespolizist erschien, um einen minutenlangen Fototermin abzuhalten und wurde währenddessen von der Bundespolizei geschützt. Die Aktion war nur möglich, nachdem die Gewalttätigkeiten praktisch zum Erliegen gekommen waren. Was das Ziel war, habe ich nicht verstanden. Aber davon, dass die Polizeikette im Rücken für Ordnung sorgen musste, war die Menschenmenge natürlich wenig begeistert. In der Folge kam es zu einer Gewalteruption, die sich auch die Adalbertstraße hochzog.

Wird es da ein Nachspiel geben?

Auf jeden Fall. Wir haben bereits eine komplette Aufarbeitung des Polizeieinsatzes im Innenausschuss gefordert.

Was könnten die Lehren für das kommende Jahr sein?

Aus meiner Sicht muss gewährleistet sein, dass die Polizei so vorbereitet und so ausgestattet ist, dass sie auch bei einem eskalativen Verlauf mit der notwendigen Verhältnismäßigkeit, aber auch Härte vorgehen kann. Bei über 250 verletzten Beamtinnen und Beamten kann man jedenfalls nicht mehr von einem gelungenen Einsatz sprechen.

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