FC Bayern im Abwärtstrudel: Kreatives Nichts
Früher war er der Meisterclub und gefürchtet bei seinen Gegnern. Heute ist er nur noch ein Krisenklub. Und läuft schon früh in der Saison in die Gefahr, alles zu verspielen.
Am Tag danach schien die Sonne, als sei nichts geschehen. Der Wind, der durch die Säbener Straße pfiff, war noch nicht einmal besonders kalt, dafür aber recht heftig; nur wenige Blätter konnten sich noch an den Ästen festkrallen. Mehrere hundert Fans warteten am Trainingsgelände auf ihre Kicker, froren erbärmlich und hatten nur kurzzeitig etwas zu lachen, als der Rasensprenger lossprudelte und alle nass spritzte. Ansonsten: Herbstdepression. Wer derzeit zum FC Bayern geht, braucht einen warmen Mantel.
Ob Louis van Gaal diesen schon aus dem Schrank geholt hat, blieb unklar. Als die Verlierer des Vorabends den Trainingsplatz betraten, war der Trainer nicht dabei. Hat er sich im stillen Kämmerlein noch einmal das 0:2-Desaster gegen Bordeaux vom Vortag angesehen? Hat er sich schon auf das nächste Endspiel am Samstag gegen Schalke 04 vorbereitet oder mit den Klubbossen die missliche Lage besprochen? Wie auch immer, van Gaal weiß: Jetzt heißt es, sich sehr warm anziehen!
Wenn sich in den nächsten Wochen nicht noch sehr viel zum Guten fügt, dann hat der FC Bayern am Dienstagabend schon die komplette Saison 2009/2010 verbockt. Und das Anfang November, nach dem vierten Champions-League-Vorrundenspiel. Nach Transferausgaben in bislang bei diesem Verein nicht gekannten Höhen. Nach der Verpflichtung eines Trainers, dessen Selbstbewusstsein und Fachverstand scheinbar automatisch in höchste Königsklassenhöhen führen würden. Dieser allseits hoch gelobte Fußballlehrer sagte nach einer blamablen 0:2-Heimniederlage nun Sätze wie diese: "Haifa hat immer nur 1:0 verloren - nur gegen uns 3:0." Auch schön: "Das Leben geht weiter. Das habe ich auch meinen Spielern in der Kabine gesagt." Lebbe gehd weida - Louis van Gaal auf den Spuren von Dragoslav Stepanovic. Au weia, FC Bayern.
Es ist verständlich, dass man nach einer solchen Niederlage etwas durcheinander ist. Aber so weit sollte die Konfusion nicht gehen, dass die Wahrnehmung darunter leidet. Wie sich der FC Bayern das kreative Nichts gegen Bordeaux schönredete, das war schon interessant. Logisch, dass alle Bayern bei Kloses Schussversuch in der 32. Minute einen mindestens hundertprozentigen Elfmeter gesehen hatten. Van Gaal und auch Kapitän Mark van Bommel hatten zudem eine Unzahl von "kreierten Chancen" gesehen, die sich auch bei mehrfacher Ansicht der Fernsehbilder auf exakt zwei reduzierten: Luca Toni in der 47. Minute und Arjen Robben nach feinem Pass von Bastian Schweinsteiger in der 62. Minute. Mehr war da nicht. Nirgends. Van Gaal sagte: "Wir waren nicht glücklich, aber auch nicht gut genug. Wir können noch nicht den französischen Meister einfach wegspielen".
Nein, das kann der FC Bayern in der Tat nicht. Wenn Gästetrainer wie Laurent Blanc sagen können, er habe einen wunderschönen Abend verbracht, dann weiß man, wie es um das Ansehen und den Respekt gegenüber dem deutschen Rekordmeister bestellt ist: alles weg. Die Zeiten, als die Gegner den FC Bayern fürchteten, sind längst vorbei. Verunsichert und nervös sind nur die Bayern selbst. "Man hat gesehen, dass Bayern nicht mit dem größten Selbstvertrauen angetreten ist", sagte Blanc. Das Sieger-Gen funktioniert nicht mehr. Schafft es Bayern noch in die nächste Runde, Herr Lahm? "Es fällt sehr, schwer daran zu glauben."
Selbst dem FC Bayern eng verbundene Menschen wie Ottmar Hitzfeld geraten ob des Gebotenen fast ins Spotten: "Das war taktisch sehr gut - wäre es ein Auswärtsspiel gewesen", analysierte der TV-Experte und legte nach: "Das war Rasenschach statt Tempofußball." Ob Trainer Luis van Gaal daran bis zum Schalke-Spiel etwas ändern kann, ist fraglich. Dass es nun auch für ihn ungemütlicher wird, ist ihm bewusst: "Es ist immer unruhig bei Bayern München, wenn man verliert."
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