FC Bayern München in der Krise: Lautes Lamento
Nach der 0:1-Heimniederlage gegen Werder Bremen beklagen die Bayern-Bosse wortreich den schlaffen Auftritt ihrer Angestellten auf dem Rasen.
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Thomas Müller war gerade dabei, über die 0:1-Niederlage gegen Werder Bremen und deren Ursachen zu sprechen, als der Vorraum des Kabinengangs in der Münchner Arena mit Klängen beschallt wurde, die vor allem mit Mallorca assoziiert werden. Das lag daran, dass Bremens Verteidiger Niklas Stark mit einer Boombox Auszug hielt aus der Umkleide und auf seinem Weg zum Mannschaftsbus „Dicht im Flieger“ in weithin vernehmbarer Lautstärke hörte.
Müller, der Offensivspieler des FC Bayern, schaute herüber zu Stark und sagte: „Jetzt merkst du: Denen war es wichtig.“ Sprach’s und brach seine Ausführungen ab, um sich in den Feierabend zu verabschieden. Seine Laune war im Gegensatz zu Starks alles andere als partytauglich.
Müllers Anmerkung zu Stark und den erstmals seit dem Jahr 2008 in München siegreichen Bremern ließ sich vor allem als subtile Anklage deuten. Diese zielte auf die eigene Mannschaft, der es im Umkehrschluss offenbar nicht so wichtig gewesen war, zu gewinnen. Damit formulierte der 34-Jährige eine Kritik, die so ähnlich auch von seinen Vorgesetzten und Kollegen geäußert wurde, auch von Coach Thomas Tuchel, der neben zahlreichen inhaltlichen Mängeln vor allem ein Einstellungsproblem erkannte. „Fehlenden Biss“ beklagte der Trainer, solch eine Leistung könne „nie und nimmer unser Anspruch sein. Das geht gegen jedes Gesetz des Leistungssports.“
Seine Mannschaft habe 70 Minuten lang „sehr belanglos gespielt“, kritisierte Tuchel, und zwar so, „als hätten wir in der Liga zehn Punkte Vorsprung und am Dienstag ein Champions-League-Spiel“. Er verortete den Auftritt seiner Elf „zwischen Übermut und Schongang“.
„Schlag ins Gesicht“
Der Vorstandsvorsitzende Jan-Christian Dreesen hatte vor der Schlussphase sogar „langweiligen Fußball“ seiner Bayern gesehen. Weil die aber auch ganz anders können, wechsle offenbar „die Einstellung wie das Wetter“, befand Dreesen. Als „blutleer“ bezeichnete Sportdirektor Christoph Freund die Leistung. Für Müller war „kein Leben drin“, er erkannte „zu wenig Feuer“ und empfand die Niederlage wie einen „Schlag ins Gesicht“.
Die Launen der Diva FC Bayern geben ihnen zu denken. Auch deshalb wird der Ton in München spürbar rauer, die Debatten gewinnen an Schärfe. Tatsächlich hatten die Bayern am Sonntag eine ihrer schlechtesten Leistungen dieser Saison gezeigt und sich ihre zweite Bundesliga-Niederlage nach dem 1:5 in Frankfurt eingehandelt. Ohne Ideen, Tempo und Körperspannung waren sie gegen Werder aufgetreten. Im Gegensatz zu den Bremern, die furchtlos ihre Chance suchten. Der Lohn war das Tor des ehemaligen Münchners Mitchell Weiser in der 59. Minute.
Es passte ins Bild, dass sich Bayerns Linksverteidiger Alphonso Davies vor Weiser Linksschuss zum 0:1 eine Zweikampfführung erlaubt hatte, die diese Bezeichnung nicht verdient. Es dürfte „nicht passieren, dass ein Gegner hungriger ist als wir“, sagte Bayerns Mittelfeldspieler Joshua Kimmich, „generell muss man die Herangehensweise hinterfragen.“ Sein Vorwurf: „Man hat nicht das Gefühl, dass wir wissen, um was es geht.“
Es ist im Kern dieser Befund, der die Bayern vor dem Nachholspiel gegen Union Berlin am Mittwoch umtreibt: Warum tritt die Mannschaft zum wiederholten Male auf, als ginge es für sie um nichts? Gegen Bremen hat sie die wertvolle Chance leichtfertig aus der Hand gegeben, den Meistertitel aus eigener Kraft gewinnen zu können. Sieben Punkte beträgt der Rückstand auf Tabellenführer Leverkusen nun, auf maximal vier Zähler kann der Rückstand gegen Union verkürzt werden.
Die Rückrunde hat zwar gerade erst begonnen, doch ausgeschlossen ist nicht, dass die Münchner gegen Werder bereits den dritten Titel verspielt haben nach dem im Supercup (0:3 gegen Leipzig) und im DFB-Pokal (1:2 gegen Drittligist Saarbrücken). In der Champions League stehen sie zwar im Achtelfinale gegen den Außenseiter Lazio Rom, doch bis zur Krönung in Europa ist es noch ein sehr weiter Weg.
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