piwik no script img

FC Barcelona vor Gastspiel in WolfsburgHunger der Aufsteigerinnen

Der FC Barcelona revolutioniert den Frauenfußball. Die Spielerinnen sind Teil eines Systems der stetigen Verbesserung. Ihr Stil begeistert.

Die Spielerinnen des FC Barcelona feiern nach einem Sieg gegen den VfL Wolfsburg Foto: Joan Monfort/ap/dpa

BARCELONA taz | Stil, Methode, Projekt: Es gibt beim Fußball ja immer wieder Leute, die genervt mit den Augen rollen, wenn es um solche Themen geht. Aber wenn man die historische Blüte des Frauenfußballs beim FC Barcelona verstehen will, führt kein Weg an ihnen vorbei. Sie begründen, warum die Katalaninnen von einem anderen Stern zu spielen scheinen. 40 Pflichtpartien in dieser Saison, 40 Siege, 197:15 Tore. Zuletzt holte sich der VfL Wolfsburg im Cham­pions-­League-­Halbfinale ein 1:5 ab; am Samstag (18 Uhr/DAZN) steigt das Rückspiel.

Barcelona schafft das mit einer Mannschaft, die überwiegend aus Spanierinnen besteht, die im Frauenfußball bis vor Kurzem nicht als relevante Größe galten. Wie sehr die Blicke noch auf die nördlichen Gefilde gehen, zeigte sich, als bei der jährlichen Fifa-Gala keine einzige Barça-Spielerin in die Weltelf des Jahres gewählt wurde – nicht mal Alexia Putellas, 28, die immerhin vom selben Verband als „The Best“ ausgezeichnet wurde, so wie sie Monate zuvor schon den Goldenen Ball der Weltfußballerin erhielt. Als einzige andere Starfigur der Barça-Elf gilt ihre Vorgängerin von 2017, Lieke Martens. Aber die fehlt seit Monaten verletzt.

Die majestätische Innenverteidigerin María „Mapi“ León dagegen, die passsichere Patri Guijarro und die dynamische Aitana Bonmatí im Mittelfeld, die routinierte Jenni Hermoso und die junge Claudia Pina im Angriff – wer wollte sie schon auf dem Zettel haben? Doch eine weitgereiste Mitspielerin wie die Schweizerin Ana Maria Crno­gor­ce­vic – ehemals Hamburg, Frankfurt, Portland – glaubt, dass sie den Frauenfußball noch auf Jahre dominieren können. „Es liegt alles an uns“, sagt die 31-Jährige. „Viele Spielerinnen sind hier aufgewachsen und spielen schon lange zusammen, gerade das Mittelfeld mit der Aitana, die ist 24, und die Patri, 23, und die Alexia ist auch noch nicht so viel älter. Die drei in der Mitte sind absolut spielentscheidend bei uns, sie sind das Herzstück. Überleg’ mal: wenn die noch zehn Jahre zusammenspielen!“

Fürs Erste sind sie bei Barça ziemlich happy, dass sich nach dem Champions-League-Sieg der Vorsaison keine Selbstzufriedenheit eingestellt hat. „Diese Gruppe von Spielerinnen lebt für das System von stetiger Verbesserung, das wir implementieren“, erklärte Sportdirektor Markel Zubizarreta, Sohn der Torwartlegende, kürzlich der Zeitung El País: „Am Dienstag sind sie besser als am Montag. Sie kommen zu jedem Training mit dem Ehrgeiz, die Welt aufzuessen.“ Dieser Hunger hat auch damit zu tun, dass die meisten eben nicht aus dem vergleichsweise komfortablen Hintergrund eines schon entwickelteren Frauenfußballs stammen. Es ist also eine klassische Aufsteigergeschichte; gepaart mit inzwischen voll professionalisierten Strukturen.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Staunen über die Mitspielerinnen

Und dann ist da eben: der Stil. Der von Barça. „Man kann ihn nicht einfach kopieren, sonst würde es andere auch so machen“, glaubt Crnogorcevic, die über sich sagt, sie bestaune die schnellen Passfolgen im Mittelfeld von ihrer Außenposition aus, könne aber in Barças Zentrum niemals selbst mitspielen. „Es ist überragend, ihre Bewegungen, wie sie Räume lesen können.“ Nicht alle passen zu diesem Stil, deshalb verpflichtet der Klub nur selten fertige Profis wie Carolina Graham Hansen aus Wolfsburg oder ihre Vereinskollegin Fridolina Rolfö. Vor Transfers versuchen sie, die Spielerinnen ins eigene System zu denken. Rolfö war ihr Leben lang Stürmerin; bei Barça spielt sie meist Außenverteidigerin.

Wie sehr die Katalaninnen den Frauenfußball revolutioniert haben, zeigt sich auch daran, dass sie schon die ersten Abwehrreflexe stimulieren. Ex-Weltfußballerin Ada Hegerberg, die bis zu einer schweren Verletzung die europäische Szenerie dominierte und beim einstigen Seriensieger Olympique Lyon unter Vertrag steht, maulte angesichts des Barça-Hypes gegenüber L’Équipe: „Es gab auch vorher schon Frauenfußball.“

Schon – aber halt nicht annähernd vor so vielen Zuschauern. Dass im Viertelfinale gegen Real Madrid über 90.000 Zuschauer ins Camp Nou kamen, ließ sich noch halbwegs entlang üblicher Parameter erklären: der Erzrivale, das menschliche Rekordstreben, günstigere Preise, die Premiere im großen Stadion. Nur kamen gegen Wolfsburg im Halbfinale sogar noch ein paar Hundert mehr; und Wolfsburg ist, bei allem Respekt, kein Verein, der wegen irgendwelcher Fehden bei den Männern die Pulsadern der Anhänger anschwellen lassen würde.

Es ist überragend, wie sie Räume lesen können

Barça-Spielerin Crnogorcevic über ihre Kolleginnen

Der Frauenfußball in Barcelona hat sich wahrhaft emanzipiert. Er muss sich nicht mehr anhand der Männer definieren, er braucht sie nicht mehr für sein Glück. Über 90.000 Menschen kommen wegen Aitana und Alexia, wegen María und Ana Maria. Wegen ihres einmaligen Fußballs, wegen ihres Stils.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Man sollte an der Stelle einfach mal betonen, dass Barca den Frauenfußball sicher nicht erfunden hat, aber dass auch Hegerberg einsehen muss, dass sie ihn auf ein neues Level heben. Und zwar ein neues taktisches Level, ein neues Level, was den Professionalisierungsgrad angeht. Im Grunde setzt Barca gerade das um, was Hegerberg lange Jahre von ihrem eigenen Verband erstreiken wollte. Da ist es etwas bedauerlich, dass sie es jetzt nicht sehen mag.



    Bis vor kurzem basierte Erfolg im Frauenfußball (egal ob bei Lyon, PSG, in England oder in der Bundesliga bei Bayern und Wolfsburg) plump darauf, durch Geld genügend einzelne, starke Spielerinnen zusammen zu kaufen, die dann durch ihre höhere, individuelle Qualität Spiele gewinnen. Barcelona hat Wolfsburg im Camp Nou aber vor allem taktisch vorgeführt. Der VFL hat da überhaupt keine Kompaktheit hinbekommen, kein sichtbares Konzept gegen Barcelonas Aufbau- und Angriffsmuster war zu erkennen. Mit Rolfös Aufrücken von der linken Abwehrseite und der wechselnden Besetzung der 10er-Position vor allem durch Aitana, Hermoso und Putellas kam Wolfsburg gar nicht klar, obwohl Barca diese Muster in jedem Spiel zeigt. Die Wolfsburgerinnen im Zentrum , egal ob Abwehr oder Mittelfeld, waren damit so arg überfordert, dass man fast Mitleid bekam.



    Es reicht halt (plakativ gesagt) nicht mehr, dass eine überragende Athletin wie Alex Popp dann mal im Mittelfeld eine Gegenspielerin tritt, ansonsten aber kein Gespür dafür zeigt, in welchem Raum sie sich eigentlich aufhalten müsste.



    Deswegen kann man nur hoffen, dass Barcas Ansatz weltweit Schule macht, dann wäre für die Zukunft des professionellen Frauenfußballs viel gewonnen.

    • 3G
      35743 (Profil gelöscht)
      @Teja Totila:

      👍