Extra-Registrierung für Sonderschüler: Schulstatistik aufgepeppt
Die Kultusministerkonferenz in Stralsund beschließt künftig getrennte Registrierung von Sonderschülern. So tauchen die "Schulabbrecher" nicht mehr in den Statistiken auf.
BERLIN taz Schüler, die an Sonderschulen einen Abschluss erzielen, tauchen künftig nicht mehr als "Schulabbrecher" in der Statistik auf. Das ist ein Ergebnis der Kultusministerkonferenz (KMK), die am Freitag in Stralsund endete.
Bislang galten alle Schüler, die nicht mindestens einen Hauptschulabschluss erzielt haben, in der Statistik als Schulabbrecher. Künftig aber werden die Abschlüsse an Sonderschulen, offiziell "Förderschulen" genannt, in der Statistik gesondert ausgewiesen. Der so genannte L-Abschluss für Lernbehinderte wird aufgewertet. Faktisch entsteht damit ein weiterer Abschluss unterhalb dem der Hauptschule.
Als "Zahlen-Tricksereien" kritisierte die stellvertretende GEW-Vorsitzende Marianne Demmer den Beschluss. Die Bundesländer hatten sich auf dem Bildungsgipfel im vergangenen Herbst verpflichtet, die Schulabbrecherquote bis 2015 auf vier Prozent zu halbieren. Da die Hälfte der rund 75.000 Abbrecher eines Altersjahrgangs von Sonderschulen kommt, wäre dieses Ziel durch den schlichten Etikettenschwindel schnell erreicht.
"Das ist zynisch gegenüber den jungen Leuten", so Demmer. "Da steckt keine Substanz dahinter, keine pädagogische Maßnahme. Mit so einem Sonderschulabschluss können die Schüler auf dem Arbeitsmarkt nichts anfangen".
Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Priska Hinz, kritisierte den Beschluss "als falschen Ansatz", besonders im Hinblick auf die UN-Behindertenkonvention, die Deutschland unterzeichnet hat und die seit 2009 gilt. Diese verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, ein inklusives Bildungssystem zu schaffen, in dem Schüler mit sonderpädagogischem Bedarf nicht in Sonderschulen ausgegliedert werden. Hierzulande sind nur 15 Prozent dieser Schüler in die normalen Schulen integriert - womit Deutschland gegen die Konvention verstößt. "Die KMK hätte darüber nachdenken sollen, wie man mehr Kinder integriert", sagte Hinz. So habe man nur die Statistik geschönt.
Die Kultusminister besprachen auf ihrer Konferenz auch das Problem des Lehrermangels in bestimmten Fächern und Regionen - jedoch ergebnislos. Zwar verabschiedeten sie die so genannte "Stralsunder Erklärung", in der sie eine gemeinsame Strategie gegen den Lehrermangel ankündigten. Gleichzeitig betonte sie, dass es zunächst Sache jedes einzelnen Bundeslands sei, für eine ausreichende Zahl von Lehrern zu sorgen. "Das sind Worthülsen", kritisierte Marianne Demmer von der GEW.
Auch Grünen-Politikerin Hinz sagte: "Das ist alles nichts neues". Eigentlich hätte man sich überlegen müssen, wie man die Lehrerausbildung von Grund auf stärken könne und das sei nicht passiert, kritisierte sie weiter.
Zur Frage nach der Abwerbung von Lehrern aus anderen Bundesländern heißt es in der "Stralsunder Erklärung", diese solle künftig nur noch nach "vertrauensvoller Abstimmung" erfolgen, ein generelles Verbot von Werbeaktionen über Landesgrenzen hinweg wird es aber nicht geben.
Eine Arbeitsgruppe soll nun bis zum nächsten Treffen im Juni den genauen Bedarf im Hinblick auf Lehrer und Lehrerausbildung ermitteln und darauf aufbauend Lösungsvorschläge unterbreiten.
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