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Explosive Stimmung im Heiligen Land

Israelische Regierungspolitiker wollen ihre politische Hilflosigkeit mit polizeilicher Härte kaschieren  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die israelische Polizei hat gestern früh Gesamt-Jerusalem für alle Palästinenser aus den besetzten Gebieten gesperrt. Begründet wurde diese Maßnahme mit der Furcht vor neuen, antiarabischen Ausschreitungen. Nach der Ermordung von drei Israelis durch einen 19jährigen Palästinenser am Sonntag war es in Jerusalem zu antiarabischen Aufläufen gekommen. Die Behörden versuchten daraufhin, durch massive Polizeipräsenz Racheaktionen von Israelis zu verhindern.

Pazner, der Sprecher von Ministerpräsident Schamir, meinte, die Bluttat vom Sonntag sei das direkte Ergebnis der „ungerechtfertigten Verurteilung Israels durch den UNO-Sicherheitsrat“. Palästinenser sehen in dem für unbestimmte Zeit gültigen Sperrbeschluß eine weitere kollektive Strafmaßnahme gegen die Bewohner der israelisch besetzten Gebiete. Tagtäglich pendeln Tausende von Palästinensern, vor allem aus der Westbank, zu ihren Arbeitsstätten in Jerusalem. Nicht zu unterschätzen sind die wirtschaftlichen Folgen für die Betroffenen. Denn viele als Tagelöhner beschäftigte Palästinenser mußten so zwangsläufig ihren Arbeitsstätten fernbleiben.

Das Argument der israelischen Polizeibehörden, die Sperrung diene doch nur dem Schutz der Araber vor jüdischen Racheakten, weisen die Palästinenser vehement zurück. „Das Eingeständnis der Besatzungsbehörden“, so ein Palästinenserführer, der anonym bleiben wollte, „uns nur durch rigorose Aussperrung schützen zu können, unterstützt doch letztlich unsere Forderung nach einem Einsatz von UNO-Truppen in Ostjerusalem und den besetzten Gebieten“.

Anstatt über eine politische Lösung der hochexplosiven Lage in Jerusalem nachzudenken, fordern viele israelische Politiker und hochrangige Beamte unnachgiebige Härte. Polizeiminister Milo rät zu einem freizügigeren Gebrauch von Schußwaffen durch Polizei und Sicherheitsbehörden. Auch Landwirtschaftsminister Eytan forderte die Sicherheitskräfte auf, bei „fliehenden Mördern“ sofort zur Schußwaffe zu greifen — ohne unnötige Warnschüsse. Er forderte dabei, den „shoot to kill“, den „finalen Tötungsschuß“, neu zu diskutieren. Mosche Kazav, Mitglied des Likud- Kabinetts, sah dagegen die Lösung aller Probleme in der Wiedereinführung der Todesstrafe.

Ein neuerlicher Vorfall zeigt deutlich, wie explosiv die Lage in Jerusalem ist. Ein einfacher Streit zwischen einem arabischen und einem israelischen Angestellten eines Supermarktes, bei dem der Araber den Israeli mit dem Messer leicht verletzte, führte zur Abriegelung eines ganzen Stadtviertels. Auf den Messerstecher, der die Flucht ergriff, eröffneten Anwohner sofort das Feuer.

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