piwik no script img

Explodierte Handgranate in BremenRocker rüsten auf

Eine Familienfehde könnte im Nordwesten zu einem neuen Rockerkrieg führen. Die Bremer Polizei deutet einen Vorfall mit einer Handgranate als „Warnung“.

Präsenz zeigen ist im Rockermilieu wichtig – bis zum plötzlichen Verschwinden Foto: dpa

Bremen taz | Seit dem 3. Juli 2017 ist Rezan Cakici aus Oldenburg spurlos verschwunden. Am Dienstag explodierte im Bremer Stadtteil Vahr eine Handgranate unter einem VW Passat. Zwei Ereignisse an zwei verschiedenen Orten, der eine im Sommer, der andere im Herbst. Inzwischen wird aber deutlich: Beide Fälle hängen zusammen.

Die Bremer Polizei, so heißt es in einer Pressemitteilung, „ermittelt in enger Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Bremen und der Polizei Oldenburg“. Nähere Auskünfte darüber, wie die beiden Fälle zusammenhängen, wollen die Behörden jedoch nicht geben: „Sie haben doch die Pressemitteilung gelesen“, heißt es dazu von der Staatsanwaltschaft Bremen, und: „Dem ist nichts hinzuzufügen.“

Die Behörden also halten sich bedeckt, auch in Oldenburg ist offiziell wenig zu erfahren und zum Bremer Fall gar nichts. Doch hinter den Kulissen brodelt es. Die Polizei sei in Alarmstimmung, heißt es. Dem Nordwesten könnte ein neuer Rockerkrieg bevorstehen.

Handgranate ohne Tötungsabsicht?

In der Pressemitteilung liest sich das so: Es habe sich bei dem Anschlag nicht um eine gezielte Tötungsabsicht gehandelt, sondern um eine „Warnung aus dem Gewaltmilieu.“ Die Polizei werde nun an möglichen Gefahrenorten verstärkte Präsenz zeigen. Welche Gefahrenorte das sind, sagt die Polizei nicht. Es bestehe aber keine Gefahr für unbeteiligte BürgerInnen. Und Erkenntnisse darüber, dass es zu weiteren Gewalthandlungen komme, bestehe ebenfalls nicht.

In der Tat beschränkt sich die Gewalt derzeit auf die Familie Cakici, die im Rockermilieu beheimatet ist: Rezan Cakici war bei den Hells Angels aktiv. Zwischenzeitlich soll es da Streit gegeben haben, der inzwischen aber wieder beigelegt sein soll. Als Rezan Cakici im Sommer verschwindet, soll er Schulden in sechsstelligem Bereich bei einem Geschäftspartner haben. Er wurde zuletzt in einer Oldenburger Shisha Bar gesehen, sein Geld, das Auto und auch sein Handy soll er zurückgelassen haben. So ist jedenfalls Einträgen auf Cakicis Facebook-Seite zu entnehmen, die immer noch existiert.

Sie haben doch die Pressemitteilung gelesen. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Staatsanwaltschaft Bremen

Ein Rocker ist seit Monaten spurlos verschwunden

Die nach Rezans Verschwinden eingesetzte „SOKO Kings“ ermittelt in alle Richtungen: Rezan könnte aufgrund von Familienstreitigkeiten oder seiner Schulden abgetaucht sein. Es gibt Spekulationen, er habe sich ins Ausland abgesetzt – eine heiße Spur gibt es nicht. Er könnte auch tot sein. „Beides ist denkbar“, sagt der Oldenburger Polizeisprecher Stephan Klatte.

Bis heute ist nicht geklärt, was mit ihm geschah: „Die Lage hat sich nicht verändert,“ sagt Klatte. Die Soko wurde in der Zwischenzeit verkleinert und ist auch nach dem Anschlag in Bremen noch nicht wieder aufgestockt worden. Das allerdings, so Polizeisprecher Stephan Klatte, sei jederzeit möglich, sobald ein neuer Hinweis eingehe.

Nur wenige Wochen nach seinem Verschwinden wird in einer Trockenbaufirma, die Teilen der Familie gehört, bei einer Auseinandersetzung mit einem Geschäftspartner seines Cousins ein Verwandter getötet und sein Vater angeschossen. Der Vater spielt nicht erst seit dem Anschlag auf ihn am Dienstag eine Schlüsselrolle: Er soll hinter den Kulissen massiv Staub aufgewirbelt haben. Und auch der Cousin Rezans, der früher zu den Bandidos gehörte und sich dann aber den Hells Angels zugewandt hatte, hält sich derzeit offenbar in der Türkei auf.

Das Verschwinden der beiden hat im Milieu leere Stellen hinterlassen, die die Bandidos nun möglicherweise füllen wollen. Dafür spricht, dass ein massives Polizeiaufgebot am späten Dienstagabend in der Delmenhorster Innenstadt zugegen war. Wie eine Sprecherin sagte, habe es zuvor Hinweise auf eine bevorstehende Auseinandersetzung unter Rockern gegeben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!