piwik no script img

Expertenkommission DW EnteignenErst das Ob, dann das Wie

Der Auftrag für die Expertenkommission zur Enteignung steht. Diese soll zunächst die Verfassungskonformität prüfen, dann alles andere.

Un­ter­stüt­ze­r:in­nen von Deutsche Wohnen Enteignen wollen wieder lachen können Foto: dpa

Berlin taz | Der rot-grün-rote Berliner Senat hat auf seiner Sitzung am Dienstag die Einberufung einer Expertenkommission beschlossen, die ein Jahr lang die Umsetzung des erfolgreichen Volksentscheids Deutsche Wohnen & Co enteignen prüfen soll. Im Titel des Beschlusses, der der taz vorliegt, ist die Rede von der „Prüfung der Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung des Volksentscheids“, ganz so, wie es die drei Parteien auch schon in ihrem Koalitionsvertrag formuliert hatten.

Wie von der taz bereits vergangene Woche berichtet, wird die Kommission aus 13 Mitgliedern bestehen. Zehn hat der Senat namentlich aufgelistet, die drei weiteren sollen von der Initiative DW Enteignen entsendet werden.

Der erste genannte Name auf der Senatsliste ist Herta Däubler-Gmelin (SPD). Dem Vernehmen nach soll die ehemalige Bundesjustizministerin dem Gremium vorstehen und dieses „gerecht und unparteiisch“ leiten. Mit Aysel Osmanoğlu, Vorstandsmitglied der GLS-Bank, steht auch die bislang noch nicht benannte letzte Vertreterin von den Senatsparteien fest.

Die Kommission soll laut dem Einsetzungsbeschluss „zunächst die Verfassungskonformität“ des Vorhabens prüfen. Dies beinhaltet „die Benennung und rechtliche Bewertung möglicher rechtssicherer Wege einer Vergesellschaftung“. Dabei soll auch der bereits ausgearbeitete Gesetzesvorschlag der Initiative geprüft werden. Diese hatte immer wieder darauf beharrt, dass diverse Gutachten bereits die grundsätzliche Möglichkeit der Vergesellschaftung nach Artikel 15 GG geklärt hätten und eine Kommission einzig Detailfragen der Umsetzung in den Blick nehmen sollte.

Für den Senat ist das dagegen erst der zweite Punkt: „Anschließend sollen auch wohnungswirtschaftliche, gesellschaftsrechtliche und finanzpolitische Aspekte berücksichtigt und entsprechende Empfehlungen erarbeitet werden“, heißt es im Auftrag an die Kommission. Nach einer Gewichtung der vorgeschlagenen Wege durch den Senat soll die Kommission dann noch einmal Stellung nehmen. Äußern soll sie sich zur „Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Betroffenen“, der „Festsetzung der Entschädigung und ihrer Finanzierung“ und zur „Bewirtschaftung der vergesellschafteten Bestände“.

Die Kommission, der sowohl explizite Geg­ne­r:in­nen als auch Be­für­wor­te­r:in­nen des Vorhabens angehören, wird gebeten, „eine gemeinsame Position zu entwickeln“. Minderheiten- und Sondervoten blieben aber möglich. Eine mit insgesamt 800.000 Euro finanzierte Geschäftsstelle soll bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung angesiedelt werden. Sie solle ihre Arbeit „grundsatzöffentlich“ gestalten, „damit die Prozesse transparent sind und die Ergebnisse hohe öffentliche Akzeptanz finden können“. Alle schriftlichen Dokumente, Protokolle, Gutachten und Sitzungsunterlagen sollen veröffentlicht werden.

DW Enteigenn kritisierte am Dienstag „dass trotz entsprechender Forderungen in dem Beschluss ein klares Bekenntnis zu öffentlichen Sitzungen fehlt“. Laut Sprecher Kalle Kunkel sei es dagegen begrüßenswert, dass „sich der Arbeitsauftrag der Kommission entsprechend der Forderung der Initiative ausgeweitet hat“, also eine Auseinandersetzung mit ihrem Gesetzentwurf und mit der Frage wie die Vergesellschaftung verzogen werden kann, benannt werden. Am Dienstagabend will die Initiative darüber beraten, ob sie sich mit der Entsendung eigener Kommissionsmitglieder beteiligt.

Niklas Schenker, mietenpolitischer Sprecher der Linken, sagte zum Beschluss über die Kommission: „Das ist historisch und bietet eine echte Chance.“ Gleichwohl kritisierte er, die Entsendung von Geg­ne­r:in­nen des Volksentscheids: „Das wird dem Anspruch, dass es nach dem Volksentscheid nur noch um das „Wie“, aber nicht das „Ob“ gehen sollte, nicht gerecht.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!