piwik no script img

Exakt ist nur die Wahrheit

■ Ein Buch über den Berliner Bauskandal erregt bei einem von der AL und nicht bei der Bauwirtschaft Ärgernis

Berlin (taz)–“Das Diepgen“, wie ihn Horst Mahlers ehemaliger RAF– und KPD–Genosse, Dieter Kunzelmann, als Abgeordneter der Alternativen Liste taufte, „machte eine weitaus weniger schwache Figur als erwartet“. Ein Satz, den man auch beim zweiten Überlesen nicht anstößig findet. Er findet sich in dem Buch „Antes & Co, Geschichten aus dem Berliner Sumpf“ von Jochen Vorfelder und Michael Sontheimer. Nun hat zwar nicht der Kommunarde Kunzelmann „das Diepgen“ erfunden, aber Martin Buchholz, der Kabarettist, wird ihm für die Verwendung des schon geflügelten Wortes über Berlins Regierenden, im Abgeordnetenhaus vorgetragen, nicht böse sein. Es stimmt, der erste Bürgermeister der Mauerstadt hat die Affäre Antes bisher besser überstanden, als von einigen Beobachtern vor(her)gesehen. Was also ist an dem Satz dran? Die beiden Buchautoren bekamen es am Mittwoch vergangener Woche zu hören. Nachdem Dieter Kunzelmann das „corpus delicti“ in einem Vorabdruck einer Berliner Stadtillustrierten fand, eilte er mit seinem Anwalt Ehrig flugs in die Räume des Rotbuch–Verlages, um aufzubegehren. Eine „ehrenrührige Behauptung“ wollte er gestrichen wissen. Er sei nie Mitglied der RAF gewesen, stellte Kunzelmann gerade, die Passage müsse heraus. Von den beiden Buchautoren befragt, bestätigte auch Bommi Baumann (Ex–2.Juni): „Kunzelmann bei der RAF? Der hat es nicht mal bis zum 2. Juni gebracht, wenns hoch kommt bis zu den Tupamaros“. Aber davon sollte keine Rede sein, sondern vom Berliner Sumpf. Was blieb übrig, als die Intervention ernstzunehmen und den „Kunstfehler“, so Jochen Vorfelder, zu beseitigen. „Die RAF wird per Hand ausgemerzt“, meinte er am Samstag, als Lektoren und Verlagsmitarbeiter mit dem Filzer in der Hand dem Buch zu Leibe rückten. Zensur ist das mitnichten, wird auch im Verlag eingestanden. Ein gelungener Werbegag also? Die Autoren hatten eher mit Angriffen aus der Baubranche gerechnet, deren Verstrickungen mit der Politik sie in dem Sittengemälde detailbesessenen nachzeichnen. bmm

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen