Ex-Schauspieler Weber über Bundeswehr: „95 Prozent waren hanebüchen“
Die Schauspielerei hat Ex-„Tatort“-Ermittler Gregor Weber aufgegeben. Gerade schreibt er wieder ein Buch – über seine Zeit als Soldat in Afghanistan.
taz: Herr Weber, Sie waren dreieinhalb Monate als Soldat in Afghanistan. Warum?
Gregor Weber: Ich wollte testen, wie ich den Einsatz vor Ort wahrnehme. Ob ich das Gefühl habe: Ja, ich mache das für mein Land, es macht Sinn. Oder ob ich finde, das ist eine Totalkatastrophe.
Und?
Ich glaube, das Land kommt da ohne fremde Hilfe nicht raus. Ich hatte sehr viel positives Feedback von Afghanen, von Polizisten und Soldaten: Die sehen uns als Menschen, die das für Afghanistan machen. Das war sehr berührend.
Die meisten kennen Sie als „Tatort“-Kommissar, jetzt sind Sie Buchautor. Wie kommt man da nach Kundus?
Schon als ich meinen Kriminalroman über Soldaten im Auslandseinsatz geschrieben hatte, war klar: Ich bin mit dem Thema noch nicht durch. Ich hatte mich damals für die Recherche als Reservist reaktivieren lassen. Vor einem Jahr meldete ein Verlag Interesse an einem Buch aus meiner Perspektive an, und die Bundeswehr war bereit, mich in den Einsatz zu schicken.
, 44, spielte von 2001 bis zum Rauswurf 2012 im SR-„Tatort" mit. Durch eine Kochlehre löste sich der heutige Buchautor von der Schauspielerei. Neben „Kochen ist Krieg! Am Herd mit deutschen Profiköchen“ schrieb er zwei Krimis. Das Sachbuch über seinen Afghanistan-Einsatz wird 2014 erscheinen.
Als TV-Kommissar ermittelten Sie unter Afghanistan-Heimkehrern, Ihr Krimi spielt im gleichen Milieu. Wieso interessiert Sie die Bundeswehr so?
Während des Balkankriegs war ich auf der Schauspielschule und ich wusste: Wenn wir da wirklich eingreifen, wäre das ein Grund für mich, mich für den Einsatz zu melden. Ich fand, dass wir als europäische Nachbarn das Töten unterbinden müssen. Wir haben einen Grundkonflikt: Auf die Frage „Wofür haben wir eigentlich eine Armee?“ gibt es keine deutliche Antwort. Aber ich finde, eine Regierung kann nicht ernsthaft behaupten, sie schicke die Bundeswehr irgendwohin, und so tun, als sei es das THW. Wenn eine Regierung Soldaten schickt, muss sie auch klar sagen, dass da eben noch kein THW hinkann.
Sie waren in der Pressestelle. Wieso ausgerechnet dort?
Die Arbeit war meinem Zivilberuf als Autor am ähnlichsten. Zudem hatte ich ja 20 Jahre mit Journalisten zu tun und konnte den Kameraden Tipps geben, was rechtliche Konsequenzen angeht oder was hilft, wenn sie nervös sind vor einem Interview.
Dann wollte die Bild-Zeitung Sie interviewen. Was hatten Sie für diesen Fall geplant?
Ich hatte mir vorgenommen, dass das nicht passiert. Mitarbeiter einer Pressestelle sollten nicht selbst Thema der Berichterstattung sein, finde ich. Für die politischen Journalisten vor Ort war ich eh uninteressant. Aber dann war der Komiker Matze Knop da und mit ihm andere Journalisten – da tauchte die Frage nach mir auf. Ich habe mit meinem Presseoffizier gesprochen, der sagte: Es ist deine Entscheidung, aber ich würde mich freuen, wenn du es machst. Und ich dachte: Ich laufe den ganzen Tag rum und versuche Soldaten zu überreden, mit der Presse zu reden und ich drücke mich, das geht auch nicht.
Im Bild-Artikel stand, Sie seien ein „Fernsehstar“. Fühlen Sie sich damit gemeint?
Nein, ich bin Autor. Mein letzter „Tatort“ lief vor anderthalb Jahren. Dass ich mit dem Schauspielen aufhöre, war eine längere Entwicklung, ich habe ja zuletzt nur einmal im Jahr den „Tatort“ gedreht und mich um keine anderen Rollen bemüht.
Wieso kann man den Status „Schauspieler“ so schwer abschütteln?
Das hat sicher mit dem Sicherheitsdenken der Deutschen zu tun. Als sei Schauspieler eine stringente Karriere, an der man klebt! Etwas, dem ein besonderer Glanz innewohnt! Das geht vielleicht Kollegen so, bei mir hat sich das Gefühl nie eingestellt. Du machst hier als Schauspieler in der Regel nicht die Filme, die dich interessieren, sondern die, die du angeboten bekommst. 95 Prozent meines schauspielerischen Schaffens sind hanebüchen. Von den 14 „Tatort“-Folgen, die ich gedreht habe, kann man mindestens zehn in die Tonne kloppen, zwei sind ganz interessant und einer oder zwei sind gut.
Ist es Teil des Systems, dass man nicht sieht, wie viele Schauspieler arbeitslos sind?
Es gibt viele aus dem Mittel- und Unterbau, bei denen man denkt: Das ist doch ein total bekanntes Gesicht! Aber sie müssen sich irrsinnig ranschmeißen, um dranzubleiben. Sie haben 15, 20 Drehtage im Jahr – ohne Gagen wie in den USA, wo man trotzdem ein gutes Leben führen kann. Ich wollte mich nicht mehr davon abhängig machen. Man ist nicht Herr seines Berufslebens, sondern wird wie eine Schachfigur herumgeschoben. Das ist mit sehr viel Leiden verbunden und geht total ans Selbstwertgefühl.
Wie viel haben Sie verdient?
Ich habe für einen Saar-„Tatort“ 40.000 Euro bekommen, das empfinde ich als sehr viel Geld. Direkt nach meiner Rückkehr aus Afghanistan stand ich ausnahmsweise noch mal vor der Kamera, als Gatte des Mordopfers bei einem Münchner „Tatort“ – ich bin mit dem Regisseur Jochen-Alexander Freydank befreundet. Und für diese zwei Tage habe ich fast so viel bekommen wie für einen Monat in Afghanistan.
Waren Sie eingerostet?
Es war seltsam, wieder zu spielen. Meine Routine war etwas eingeschlafen. Aber ich habe gemerkt: Es fehlt mir nicht. Nicht das Drehen, nicht das Spielen, nichts.
Wie fanden es eigentlich Ihre Kameraden, dass da so ein Schauspiel-Fuzzi kommt und Soldat spielt?
Die meisten kannten mich nicht, viele sind sehr jung, keine typischen „Tatort“-Gucker. Und die sahen ja, dass ich die ganze Zeit mit Journalisten rumlaufe und meine Arbeit mit allem gebotenen Ernst mache. Aber wie immer bei einem neuen Job fragt man sich: Mache ich alles richtig? Von dieser ganzen Bürosoftware, Excel und Powerpoint, hatte ich ja keine Ahnung.
Was hat Sie im Bundeswehrlager am meisten überrascht?
Ich hatte ein Lager mit zeltartigen Unterkünften erwartet. Dass man dort unter sehr kommoden Bedingungen lebt, mit klimatisierten Räumen und einer hellen Kantine, hat mich fast geschockt. Und dann schaut man über diese Mauer, in dieses endlose Tal und denkt: Mei, vor zwei Jahren haben die sich hier noch tagtäglich beschossen. Die Diskrepanz zwischen dieser Militärgemütlichkeit und dem Bewusstsein, dass da draußen immer noch Bürgerkriegszustand herrscht, ist eigenartig.
Seit Juli sind Sie zurück in Deutschland. Haben Sie sich schon wieder eingewöhnt?
Ich befinde mich noch im Diagnoseprozess. Ich wache nachts mehrmals auf. Im Lager in Kundus wird nachts durchgearbeitet, Kettenfahrzeuge werden durchs Camp bewegt, ich habe dreieinhalb Monate nicht durchgeschlafen. Und allein der Klimaschock: Ich bin in Masar-i-Scharif bei 35,6 Grad in die Transall gestiegen und in Hannover bei 18 Grad gelandet. Da steht man mit seiner komischen Wüstenuniform, dem Isaf-Sticker an der Jacke, staubigem Rucksack und schmutzigen Schuhen, und keinen interessiert’s. Alle anderen Länder haben Rituale für diese Heimkehr.
Deutschland hat eben erst angefangen, sich daran zu gewöhnen, dass die Bundeswehr an Kriegseinsätzen beteiligt ist.
Ja, aber es gibt eine ganz große Hilflosigkeit der Bundeswehr, der deutschen Öffentlichkeit zu kommunizieren, dass und wieso 300.000 Soldaten in Afghanistan im Einsatz waren. Die Soldaten sehnen sich danach, wahrgenommen zu werden.
Und Sie wollen mit Ihrem geplanten Buch diese Kommunikationslücke schließen?
Ja, das ist das Ziel.
Also machen Sie letztlich PR.
Nein, ich sehe vieles auch kritisch. Die Bundeswehr versagt dabei, ihre Arbeit der Gesellschaft zu erklären. Und ich bin nun einmal Autor, ich kann erzählen, was ich erlebt habe. Aber als Reservist bin ich Wandler zwischen den Welten, frei und unabhängig.
Und vor Veröffentlichung segnet die Bundeswehr das Buch ab?
Nein, der Inhalt geht die Bundeswehr nichts an. Ich bin ja kein Soldat mehr. Aber ich werde mich natürlich an Persönlichkeitsrechte halten und keine taktischen Verfahren beschreiben, auch im Interesse der Soldaten.
Hatten Sie Angst im Einsatz?
Ich habe nichts Dramatisches erlebt. Aber man rechnet immer damit. Man fährt ja nicht im offenem Jeep und Käppi auf dem Kopf raus, sondern mit gepanzerten Fahrzeugen, alle Mann bewaffnet, Helm, Splitterschutzweste und Minensperren an den Türen. Ein Soldatenwitz geht so: Du weißt, dass du PTSD hast, wenn du zu Hause am Auto die Minensperre überprüfst, bevor du losfährst.
Und, haben Sie bei sich schon Anzeichen einer Posttraumatischen Belastungsstörung entdeckt?
Das nicht, aber es ist schon noch seltsam, mit offenen Fenstern zu fahren. Und ohne dass ich mich in der Operationszentrale abmelden muss.
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