Ewige Mietpreisbindung „rechtswidrig“: Sozial ungebunden
Der Bundesgerichtshof erklärt, dass sich eine Wohnungsgenossenschaft aus Langenhagen nicht an Absprachen zur Mietpreisbindung halten muss.
Im konkreten Fall hat die Stadt Langenhagen bei Hannover einer Wohnungsgesellschaft im Jahr 1995 Grundstücke verkauft. Die Gesellschaft musste dafür nur einen reduzierten Preis bezahlen und bekam sogar noch zinsgünstige Darlehen. Im Gegenzug wurde im Grundbuch eingetragen, dass die Mieten in den entstehenden Häusern besonders günstig sein müssen und dass die Stadt für die Wohnungen ein dauerhaftes Belegungsrecht hat. Mit anderen Worten sollen sie nur an Personen mit einem Wohnberechtigungsschein vermietet werden dürfen.
Die Langenhagener Grundstücke wurden alsbald von der Genossenschaft Gartenheim gekauft, die darauf 52 Sozialwohnungen in vierstöckigen Wohnblöcken errichtete. Nach 20 Jahren wollte sich die Genossenschaft jedoch von der Sozialbindung befreien und beantragte eine Änderung des Grundbuchs.
„Ein unbefristetes Belegrecht ist ein ewiger ökonomischer Nachteil“, argumentierte der Geschäftsführer der Genossenschaft, Günter Haese. Die Stadt weigerte sich jedoch und verwies auf den geschlossenen Vertrag, der nun mal eine unbefristete Sozialbindung vorsehe. Die Genossenschaft klagte, verlor aber vor dem Landgericht Hannover und vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Celle. Doch die Genossenschaft gab nicht auf und zog vor den Bundesgerichtshof in Karlsruhe.
„Ökonomischer Nachteil“
Die Genossenschaftsvertreter argumentierten, dass es sich um Wohnungen handele, die im sogenannten dritten Förderweg entstanden. Dieser sieht vor, dass mit frei vereinbarter Förderung und flexiblen, auch kürzeren Bindungen der Wohnungsbau angekurbelt werden solle. Im entsprechenden Gesetz hieß es sogar, die Sozialbindung „soll 15 Jahre nicht überschreiten“ (Paragraf 88d 2. WoBauG).
Die Stadt hielt entgegen, dass das Gesetz auch eine Ausnahme von dieser Obergrenze vorsehe. So könne bei bestimmten Förderungen auch ein „längerer Zeitraum“ geboten sein, etwa wenn Bauland bereitgestellt wird. Genau das war in Langenhagen der Fall.
Der BGH entschied nun, dass die vereinbarte unbefristete Bindung unwirksam sei, weil sie gegen das Gesetz verstoße. Selbst bei einem „längeren Zeitraum“ gebe es nicht nur einen Anfang, sondern auch ein Ende, erklärte die Vorsitzende Richterin Christina Stresemann. Allerdings solle die unwirksame Klausel nicht ersatzlos wegfallen. Vielmehr soll ein „möglichst langer“ rechtlich noch zulässiger Zeitraum gelten, denn das hätten die beiden Seiten 1995 vereinbart, wenn ihnen die Unzulässigkeit einer unbefristeten Bindung bekannt gewesen wäre.
Wie viele Jahre die Sozialbindung noch läuft, muss nun das OLG Celle entscheiden. „Im Zweifel“ gelte die Sozialbindung so lange, wie das zinsgünstige Darlehen läuft, erklärt der BGH. Das wären 35 Jahre, die Mieter hätten dann von heute aus noch elf Jahre günstige Konditionen. Nach Auslaufen der Sozialbindung können die Mieten schrittweise bis auf die ortsübliche Vergleichsmiete erhöht werden.
Und bei Neuvermietungen muss die Gartenheim-Genossenschaft nicht mehr nach einem Wohnberechtigungsschein fragen. „Diese Entscheidung könnte für wohnungssuchende Bürgerinnen und Bürger in unserer Stadt bedauerliche Folgen haben“, sagte der Bürgermeister von Langenhagen, Mirko Heuer (CDU).
Die Richterin empfiehlt: Grundstücke nicht verkaufen
Über den konkreten Fall hinaus dürfte das BGH-Urteil nur begrenzte Folgen haben. Denn vertraglich vereinbarte unbefristete Sozialbindungen gibt es äußerst selten. „Üblich sind Sozialbindungen zwischen 15 und 30 Jahren“, sagt Ulrich Ropertz, Sprecher des Deutschen Mieterbundes: „Je höher die Förderung, desto länger die Bindung.“
Der Gesetzgeber könnte aber auch nach dem BGH-Urteil eine generelle unbefristete Sozialbindung von Sozialwohnungen einführen. Zuständig wären dafür seit der Föderalismusreform 2006 die einzelnen Bundesländer. Der BGH äußerte hiergegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Richterin Stresemann empfahl Kommunen, die „den Wohnungsunternehmen dauerhafte Verpflichtungen auferlegen wollen“, ihre Grundstücke einfach nicht zu verkaufen. Außerdem könne sie den Baugesellschaften ein Erbbaurecht einräumen. Die Baugesellschaften erwerben dabei dann zwar das Eigentum an dem Haus, das sie bauen, die Kommune kann ihnen jedoch Auflagen erteilen und am Ende des vereinbarten Zeitraums – oft nach 99 Jahren – geht das Gebäude sogar in ihr Eigentum über.
Der Mieterbund sieht das ähnlich und rät den Kommunen, nur noch Erbbaurechte zu vergeben, um die Kontrolle über den Boden zu behalten.
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