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Ewig junge Welt

■ Man kennt das ja! Die recht linke Tageszeitung "junge Welt" verliert LeserInnen und sammelt GenossInnen. Damit sie sie mal wieder retten. Vorerst jedenfalls ...

Sie will nicht sterben, aber sie will einfach auch nicht alt werden. Soeben geht die Berliner Tageszeitung junge Welt (JW) in ihre allerjüngste Neugeburt. Das Überleben des ziemlich linken Blattes, sagte Geschäftsführer Dietmar Koschmieder am Mittwoch der Presse, sei erst einmal gesichert. Wie es sich für Deutschlands „einzige marxistische Zeitung“ gehört, durch Genossen. 164 Mitarbeiter und Freunde des Blatts haben Anteile gezeichnet, in Kürze sollen dergestalt 300.000 Mark zusammengekommen sein, mit denen die e.G. (ähnlich wie bei der taz) den Verlag übernehmen will.

Rettungen und verlängerte Tode durchziehen wie ein Stakkato das Schicksal der Zeitung, seit sie die Wende aus den Armen des Zentralrats der FDJ (DDR-Auflage 1,5 Mio.) riß. Auch die Zahl der Erfolgsmeldungen, derzufolge der Sturzflug der JW-Auflage gestoppt sei, ist legendär: Bei 160.000 hatte die kaderlinke Berliner „Mediengruppe Schmidt & Partner“ die Zeitung 1991 ihrem Möchtegernimperium (Elefantenpress, Titanic, ehemals Tribüne, Freitag) einverleibt, bei 96.000 hatte man die Anteile Schmidt-intern verschoben, bei 30.000 schließlich hatte die Schmidt-Gruppe Retter aus dem Westen geholt. Konkret- Chef Hermann Gremliza war da mit allerhand meinungssicheren Freunden in die Redaktion eingefahren und hatte die verunsicherte Ostmannschaft auf „richtige Analyse“ eingeschwört. Ergebnis: Konkurs nach nur 10 Monaten bei 19.000 Auflage im April 1995. Die vorerst letzte Rettung datiert in jene Osterzeit. Ein solventer Altmarxist aus dem Westen soll damals das Blatt über die Runden gebracht haben, dessen Produktion im Monat weit über 800.000 Mark verschlang (heute sind es nach Verlagsangaben 635.000 Mark).

Nun zog die Verlagsspitze Bilanz: „Der dramatische Verfall des Abonnentenstamms“, so Koschmieder einmal mehr, „ist aufgehalten.“ Die Zahlen, die er vorlegte, sprechen eine andere Sprache: Fast 2.000 Abonnenten hat die junge Welt seit der überraschenden Rettung eingebüßt, der Abostand ist weiter rückläufig – nur nicht mehr so stark. „Bei 14.600 Abos“, so Koschmieder zur taz, „ist Schluß.“ 15.200 sind es zur Zeit (nach dem Auslaufen von Geschenk-/Aktionsabos), im Sommer könnte die Marge erreicht sein.

Um das zu verhindern, geht die junge Welt nun mit „Guerilla-Marketing“ auf Abonnentenfang. „Die Nische ist da“, ist sich der Verlagschef sicher, nur: „Wir erreichen sie nicht.“ Vor allem in westdeutschen Städten vermutet das Blatt die Menschen, die bereit sind, über 500 Mark für eine Zeitung auszugeben, die sich in elegantem Kleid hauptsächlich lang und breit mit anderen Linken befaßt. Und die selbst auf Tagungen von Sahra Wagenknechts Kommunistenplattform die „marxistische Analyse“ vermißt. Nun beklebt der Verlag nun großflächig die Kreuzwegstrecken der Konsumgesellschaft mit Mythen aus den Tagen klarer Verhältnisse: 1918, Knarren, Zeitungsstapel-Barrikaden; „Wir können auch anders“ steht darüber. Fragt sich nur wie? Lutz Meier

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