Evakuierung aus Rafah: Von einem Ort zum anderen
Unser Autor ist aus Rafah nach Chan Yunis nördlicher im Gazastreifen geflohen. Dort lebt er zunächst vor dem zerstörten Nasser-Krankenhaus.
N och am vergangenen Donnerstag hat unser Autor für die wochentaz eine Familie porträtiert, die aus Ost-Rafah flüchten musste. Zwei Tage später musste er selbst evakuieren.
Am Samstag hat das israelische Militär Flugblätter über meiner Nachbarschaft abgeworfen. Vier weitere Viertel in Rafah – zusätzlich zum Osten der Stadt – sollen nun evakuiert werden. Darunter ist auch das Viertel Shabura, in dem meine Familie und ich untergekommen waren. Zwei meiner Kollegen – auch sie sind Journalisten – haben außerdem Anrufe bekommen, vom israelischen Nachrichtendienst. Sie haben ihnen mitgeteilt: Alle Journalisten sollen das Gebiet räumen.
Wir haben keine Wahl. Wir müssen den Anweisungen der Israelis folgen. Insgesamt sind wir knapp 120 Kollegen, die sich entschieden haben, Rafah zu verlassen. Meine Kollegen, meine Familie und ich haben also unsere Sachen gepackt – das hat gedauert, wir haben viele Dinge, etwa journalistisches Equipment.
Alle Gebiete, in denen die Menschen zur Evakuierung aufgefordert wurden – der gesamte Osten Rafahs, bis in die Mitte der Stadt – sind nun leer. Erst sind wir Richtung Westen gefahren, ans andere Ende der Stadt. Die Straßen waren überfüllt, es ging kaum voran. Wir wussten nicht wohin. Wir haben überlegt, nach Deir el-Balah weiterzuziehen, in die Mitte des Gazastreifens. Aber auch dort ist es überfüllt.
Von Haus zu Haus
Die Wege meiner Familie und mir haben sich schließlich getrennt: Sie sind in West-Rafah geblieben, und ich bin weitergefahren Richtung Norden, nach Khan Younis, zum Nasser-Krankenhaus. Auf dem Weg zwischen Rafah und Khan Younis bin ich keinem einzigen israelischen Soldaten begegnet. Das Nasser-Spital wurde schon einmal von Israel belagert und dann eingenommen, im Frühling 2024. Es ist bis heute vollkommen zerstört und nicht mehr funktionsfähig. Israelische Soldaten sind nicht mehr dort.
Wir haben jetzt unsere Zelte vor den Ruinen des Nasser-Spitals aufgeschlagen. Ich will meine Familie zu mir holen, aber dafür muss ich erst einen Ort finden, wo sie bleiben können. Das ist schwierig, Khan Younis ist zu großen Teilen zerstört. Es gibt nichts mehr dort, keinen Strom, kein Trinkwasser, keine Toiletten. Gerade warte ich auf einen Techniker meines Internetanbieters, sodass ich zumindest stabiles Internet habe und weiterarbeiten kann.
Ich komme ganz aus dem Norden Gazas, mein Haus liegt nur drei Kilometer vom Grenzübergang Erez entfernt. Es ist das fünfzehnte oder sechzehnte Mal, dass ich weiterfliehen muss – von Haus zu Haus, von einem Ort zum anderen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs