Eva Oer über Entwicklungshilfe im Bundeshaushalt: Entwicklung ist keine Priorität mehr
Was für eine Katerstimmung muss Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) nach der großen G20-Afrika-Marshallplan-Party im vergangenen Jahr haben: Damals konnte der Minister sich im Glanz sonnen, dass Deutschland unter seiner Ägide das international anerkannte Ziel erreicht hatte, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens in die Entwicklungszusammenarbeit zu stecken. Mit einem Marshallplan konnte er durch afrikanische Länder reisen, auf dem Gipfel den Visionär geben. Und jetzt so was: In diesem Jahr zwar mehr Geld fürs Ministerium, aber 0,7-Ziel wohl trotzdem verpasst, und ab 2019 geht’s richtig bergab mit den Hilfsgeldern.
Nun weiß zumindest jeder, wie wichtig manchen in der Bundesregierung Entwicklungshilfe ist. Sie passt kommod ins Bild, wenn wie beim G20-Gipfel mit großem Brimborium Programme eröffnet werden können, mit deren Hilfe die deutsche Wirtschaft in afrikanischen Ländern weniger Risiko bei Investments tragen muss. Unwichtig dagegen scheinen ihr nun die Kernbereiche der Entwicklungsarbeit zu sein, also Bildung, die Bekämpfung extremer Armut und des Hungers, funktionierende Gesundheitssysteme. Kurzum: alle Themen, die zu beackern so richtig langwierig und mühsam sind und in denen Projekte darauf angewiesen sind, dass über mehrere Jahre gesichert Geld zur Verfügung steht. Für diese klassischen Entwicklungsbereiche ist es katastrophal, wenn nicht Neues angestoßen werden kann, weil die langfristige Finanzierung fehlt.
KritikerInnen der Auslandshilfe werden einwenden, die Gelder brächten nichts und stürzten arme Länder nur in eine Opferrolle: Sind nicht genug Euros in Afrika versickert? Als Alternative wird meist benannt, dass die Privatwirtschaft Arbeitsplätze in Entwicklungsländer bringen müsse. Doch Investoren suchen sich gewinnversprechende Projekte. Na, wie viel unmittelbaren Profit bringt denn eine Grundschule? Wie wird sich wohl der deutsche Mittelstand gegen den Hunger einbringen? Staatliche Hilfe können Investoren nicht ersetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen