Eva Högl über das Programm der SPD: „Wir sind nicht allein auf der Welt“
Die stellvertretende SPD-Fraktionschefin wird als Ministerin gehandelt – entweder für Arbeit und Soziales oder für Justiz und Verbraucherschutz.
taz: Frau Högl, ging es der SPD jetzt doch nur um Posten?
Eva Högl: Es geht uns erst um Inhalte, dann um Personen. Wir haben einen sehr guten Koalitionsvertrag vereinbart, in dem viel SPD-Inhalt drinsteckt und mit dem wir in den nächsten vier Jahren gute Politik machen werden.
So, wie Martin Schulz agiert hat, wird bei einigen der Eindruck des Postengeschacheres hängen bleiben. Können Sie das neue Personal gegenüber der Basis selbst so richtig leidenschaftlich vertreten?
Aber selbstverständlich. Andrea Nahles und Martin Schulz sind unsere Besten. Wir werden auch darüber hinaus ein gutes Personaltableau zusammenstellen, sodass wir sehr gut aufgestellt sein werden.
Welche Auswirkungen hat das auf den Mitgliederentscheid – Nahles zieht, Schulz schreckt ab?
Unsere Mitglieder werden sich die Inhalte des Koalitionsvertrages jetzt sehr gut ansehen. Die Tatsache, dass wir so viele neue Mitglieder haben, zeigt, dass viele Menschen die SPD momentan unterstützen wollen.
Es könnte auch sein, dass diese Menschen der Juso-Kampagne gefolgt sind.
Ich glaube, dass unsere Neumitglieder vor allem etwas bewegen wollen, und das können sie auch.
49, ist seit 2009 Mitglied des Bundestags. Die Juristin hat zum europäischen Arbeits- und Sozialrecht promoviert und 10 Jahre im Ministerium für Arbeit und Soziales gearbeitet.
Was glauben Sie also, wie das Votum ausgeht?
Ich bin vorsichtig optimistisch, dass unsere Mitglieder mit Ja stimmen werden.
Sie werden als Ministerin für Arbeit und Soziales oder für Justiz gehandelt. Haben Sie Lust auf mehr Verantwortung?
Das ist reine Spekulation und dazu äußere ich mich nicht.
Sind Sie zufrieden mit dem, was die SPD in Sachen Arbeitsmarkt erreicht hat? Den einen großen Erfolg gab es nicht.
Es gibt richtig viele Erfolge, und die SPD hat mehr erreicht, als mit 20,5 Prozent überhaupt möglich war. Darüber bin ich sehr erfreut. Die sachgrundlose Befristung ist ein wichtiger Erfolg …
… die wollten Sie ursprünglich ganz abschaffen.
Wir sind nun mal nicht allein auf der Welt, wir haben Koalitionspartner. Insofern bin ich sehr zufrieden darüber, dass wir die Befristung einschränken konnten. Außerdem nehmen wir für den sozialen Arbeitsmarkt 4 Milliarden Euro in die Hand. Damit werden wir 150.000 Menschen helfen, die bislang Schwierigkeiten haben, einen Platz auf dem Arbeitsmarkt zu finden.
Sie haben in den vergangenen Jahren die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen unterstützt. Unterstützen Sie die heute auch noch?
Ich finde das eine sehr gute Idee, vertrete in der SPD damit aber eine Minderheitenmeinung.
Im Bereich Justiz und Verbraucherschutz will die Koalition eine „Daten-Ethikkommission“ schaffen, die sich mit künstlicher Intelligenz beschäftigen will. Wie kann so etwas aussehen?
Bei diesem Thema geht es uns darum, gute rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Um das Feld zu sondieren, setzen wir eine Expertenkommission ein. Anhand der Ergebnisse können wir den gesetzgeberischen Handlungsbedarf ermessen.
Ist das nicht etwas, womit sich das Ministerium selbst zentral beschäftigen müsste?
Ich bin ein großer Fan davon, mit Expertenkommissionen zu arbeiten. Natürlich macht der Bundestag die Gesetze, und die Ministerien machen Vorschläge. Aber Expertenkommissionen geben uns die Möglichkeit, auch Sachverständige heranzuziehen.
Was halten Sie von den übrigen Verhandlungsergebnissen?
Als Berlinerin freue ich mich besonders über das, was zum Thema Bauen und Wohnen beschlossen wurde. Wir stärken den sozialen Wohnungsbau, machen eine andere Liegenschaftspolitik, mit der Kommunen auch Grundstücke des Bundes bekommen können, verschärfen die Mietpreisbremse und sorgen dafür, dass Menschen nicht mehr aus ihren Wohnungen gedrängt werden, wenn diese modernisiert werden. Ich hoffe, dass das viele überzeugt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut
++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
Hamas und Israel werfen sich gegenseitig vor, Gespräche zu blockieren