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Eutiner FestspieleDer amerikanische Traum

Kultur ist schön, wirtschaftlich relevant und teuer. Wie die Eutiner Kaufleute ihre traditionsreichen Festspiele mit Hilfe von Studenten aus Kansas erhalten.

Für die Musiker ein Job wie viele andere: Bei den Eutiner Festspielen 2012 sammelt sich das Publikum, ehe der "Nabucco" aufgeführt wird. Bild: Markus Scholz/dpa

EUTIN taz |In Eutin sind die Wege kurz. Will man Kontakt aufnehmen zur Wirtschaftsvereinigung Eutin, also jenem Verband von Kaufleuten, die die Eutiner Festspiele veranstalten, wählt man eine Festnetznummer, die zum Ladengeschäft Brillen-Hoth in der Eutiner Innenstadt gehört. Eigentümer Klaus Hoth ist zugleich Vorsitzender der Wirtschaftsvereinigung und an einem Montagvormittag direkt am Apparat. „Die Eutiner Festspiele sind finanziell für die Stadt ganz wichtig“, sagt Hoth, während im Hintergrund die Tür geht und Kunden reden. „Das sind 30.000 Besucher pro Jahr, die kann man nicht so einfach fallen lassen.“

Den Kaufleuten geht es nicht darum, mit den Eutiner Festspielen direkt Geld zu verdienen, ihr Ziel ist, dass die Festspiele sich selbst tragen und die Besucher vor und nach den Aufführungen Geld in der Stadt lassen.

Die Idee, dass Kulturveranstaltungen ein Wirtschaftsfaktor sind, weil sie Kundschaft anziehen, ist nicht neu. Ungewöhnlich aber ist, was die Eutiner Kaufleute daraus abgeleitet haben: Als die traditionsreichen Festspiele 2010 mit mehreren Hunderttausend Euro Miesen Insolvenz anmelden mussten, haben sie eine gemeinnützige GmbH gegründet, ein neues Konzept entwickelt und die Veranstaltung als Neue Eutiner Festspiele fortgeführt. 2011 fanden die ersten Festspiele kaufmännischer Prägung statt. Dieses Jahr ist auf der idyllischen Bühne am Eutiner See „Der Troubadour“ zu sehen, am Freitag hat das zweite große Stück der Saison Premiere: das Musical „Anatevka“.

Beteiligt sind an den Aufführungen Musikstudenten der Kansas University in Lawrence. Sie schmeißen nicht den Laden, sitzen aber da, wo vor dem finanziellen Niedergang 2010 noch die Hamburger Symphoniker saßen. Die Symphoniker waren sehr teuer, die Studenten bekommen keine Gage. Lawrence, Kansas, ist die Partnerstadt von Eutin. Das wiederum hilft, Sponsoren für die Kooperation zu finden. Wie die genau aussieht, darüber wollen die Festspiele keine Auskunft erteilen.

Für die amerikanischen Studenten ist es ein Traum: Von der musikalischen Ödnis einer 90.000-Einwohner-Stadt im Mittleren Westen treten sie in die Fußstapfen der Hamburger Symphoniker. Das ist, als würde die Basketballgemeinschaft Ostholstein mal eben in der US-Profiliga NBA auflaufen.

Als die Neuen Eutiner Festspiele 2011 in ihre erste Spielzeit gingen, da schickte die Kansas University ihr gesamtes, 55-köpfiges Symphonieorchester auf die rund 8.000 Kilometer weite Reise. Das Orchester spielte alle Aufführungen von Mozarts „Don Giovanni“ und schenkten ihrer Partnerstadt eine fertige Inszenierung der Engelbert-Humperdinck-Oper „Hänsel und Gretel“. Die Kritiken waren unerfreulich und wenige Tage nach der letzten Aufführung warf der damalige Intendant Jörg Fallheier hin.

Er sei unglücklich mit dem künstlerischen Niveau und sehe im Umfeld der Festspiele „nicht professionelle Theaterleute, sondern ausschließlich engagierte Laien tätig“, sagte er dem SHZ-Verlag. Gemeint war damit die Fraktion der Wirtschaftsleute, die mit dem Brauhaus-Wirt Marcus Gutzeit den Geschäftsführer der Neuen Festspiele stellten.

Die Kaufleute haben schnell dazugelernt. Mittlerweile ist Tina Ziegler von der PR-Agentur Themroc Geschäftsführerin, die Intendanz hat Dominique Caron, zuvor kommissarische Leiterin der Oper Dortmund. Zugleich wurde die Anzahl der beteiligten Amerikaner reduziert: 2012 kamen 35 Musiker aus Kansas, dieses Jahr sind es noch 13. Sieben davon spielen im 55-köpfigen „Troubadour“-Orchester mit, sechs singen im 50-köpfigen Chor.

Mittlerweile sind der Großteil der Musiker und Sänger Profis aus dem norddeutschen Raum. Für sie sind die Eutiner Festspiele ein Job wie viele andere: Das Orchester und der Chor sind zusammengewürfelt, die Probenzeit ist knapp bemessen, um die Kosten gering zu halten. Die Amerikaner bekommen keine relevanten Positionen, sie übernehmen die Füllstimmen und müssen den überwiegend auf deutsch durchgeführten Proben folgen. Für pädagogische Maßnahmen ist keine Zeit. „Das Niveau ist ausgesprochen mittelmäßig“, sagt einer der deutschen Profis über die Probenarbeit. „Wir pfuschen uns halt so durch. Wir sind den Studenten da kein Vorbild.“

Das sehen die Studenten aus Kansas anders. Audrey Herren beispielsweise studiert Cello und ist beeindruckt, wie viele Nuancen die deutschen Kollegen spielen würden, ohne dass sie sich darauf großartig konzentrieren müssten. Außerdem sei es ein anderes Dirigieren, sagt die 26-Jährige, ein anderes Interpretieren und eine andere Art der Performance. Nicht zuletzt bleiben ein paar Sprachkenntnisse hängen: Herren fände es wundervoll, nach dem Studium in Europa zu arbeiten, weil „klassische Musik in Europa einfach anders unterstützt und geschätzt wird“.

Neben den Proben und Aufführungen muss man sich den Besucher der amerikanischen Studenten wohl wie eine Klassenfahrt vorstellen: Untergebracht sind sie im eigentlich stillgelegten Hotel Wiesenhof, zwei bis drei Leute teilen sich jeweils ein Zimmer. Dem Vernehmen nach hat das Hamburger Astra-Pils im Bier-Vergleich gewonnen – wegen des Anker-und-Herz-Logos auf dem Etikett. Bob Walzel, der sehr auf positive Außenwirkung bedachte Dekan der Kansas University, weiß davon vermutlich nichts: Er passt auf, dass kein schlechter Eindruck entsteht – und hat seine Truppe augenscheinlich im Griff.

Das Konzept, hiesige Profis mit Studierenden und fortbildungswilligen Profis ferner Länder zusammenzubringen, soll in den nächsten Jahren ausgebaut werden. Dieses Jahr sind bereits neun Sänger der Opern-Produktionsgesellschaft „Korea Open Theater“ dabei, und schon hört man immer wieder das Wort „Sommerakademie“. Augenoptikermeister Hoth von der Eutiner Wirtschaftsvereinigung wird es recht sein: Die Amerikaner, sagt er, seien „herzerfrischend auch für das Stadtbild“.

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