Europarat kritisiert Maidan-Ermittlungen: Ministerium verhindert Aufklärung
Das Innenministerium in Kiew betreibt „Obstruktion“ und erschwert die Ermittlungen zu den rund 100 Maidan-Toten, kritisiert der Europarat.
KIEW afp | Der Europarat hat scharfe Kritik an den Ermittlungen der ukrainischen Justiz zu den gewaltsamen Zusammenstößen auf dem Maidan-Platz in Kiew und in anderen Städten der Ukraine geübt. Vor dem Sturz des ehemaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch am 22. Februar vergangenen Jahres habe es „keinen wirklichen Versuch“ gegeben, die Vorfälle auf dem Kiewer Maidan-Platz mit etwa hundert Todesopfern aufzuklären, heißt es in einem Bericht, den drei vom Europarat beauftragte Experten am Dienstag in der ukrainischen Hauptstadt vorlegten.
Aber auch die Ermittlungen unter der neuen Regierung seien lückenhaft und hätten bis heute „keinen wirklichen Fortschritt“ gebracht, urteilten die Experten.
Die im April 2014 eingesetzte Arbeitsgruppe wird vom ehemaligen Präsidenten des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg, Nicolas Bratza, geleitet. Unterstützt wurde der Brite bei seiner Arbeit vom früheren ukrainischen Richter am Straßburger Gerichtshof, Wolodimir Butkewitsch, sowie vom ehemaligen Generalstaatsanwalt der Ukraine, Oleg Anpilogow.
Die Juristen kritisierten vor allem einen „Mangel an Unabhängigkeit“ der Untersuchungen. Die Arbeit der Ermittler werde durch eine „nicht kooperative Haltung“ des ukrainischen Innenministeriums und der Sicherheitskräfte erschwert. Dies gelte vor allem für die Rolle der Sondereinheiten der inzwischen aufgelösten Bereitschaftspolizei Berkut bei der blutigen Niederschlagung der Demonstrationen.
Das Innenministerium betreibe „Obstruktion“, was Fortschritte in diesem „Schlüsselbereich der Ermittlungen“ verhindere. Zudem seien „gewisse Offiziere“ nach den Ereignissen auf dem Maidan-Platz auf hohe Posten im Innenministerium befördert worden.
Die dreimonatigen Proteste gegen Janukowitsch waren vom 18. bis zum 20. Februar eskaliert. Bei den Unruhen auf dem Maidan wurden etwa hundert Menschen getötet. Viele der Todesopfer wiesen Schusswunden auf, die auf Scharfschützen als Täter hindeuteten.
Der Bericht zeige, dass die Ermittlungen in vielen Punkten gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstießen, erklärte der Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland. Der Norweger forderte die Regierung in Kiew auf, die Untersuchungen auf der Grundlage der Empfehlungen des Experten-Komitees voranzutreiben und Reformen einzuleiten.
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