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Europäische WirtschaftsregierungStrafe für Exportsünder

Wer dauerhaft für Exportdefizite oder -überschüsse in der EU sorgt, soll bestraft werden, sagen Bundestagsabgeordnete von den Grünen und den Linken.

Containerverladung im Hamburger Hafen: Die meisten Exportüberschüsse in der EU produziert Deutschland. Bild: dpa

BERLIN taz | Auf einmal soll alles ganz schnell gehen: Diese Woche will EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy gemeinsam mit der EU-Kommission erklären, wie Brüssel sich eine europäische Wirtschaftsregierung zur Stabilisierung des Euro vorstellt. Am 11. März sollen die Regierungschefs der Mitgliedstaaten über die Vorschläge beraten und am 24. und 25. März auf ihrem Gipfel entscheiden.

Doch die Vorschläge sind nicht alternativlos, wie ein gemeinsames Papier der Grünen-Obfrau im Bundestagsfinanzausschuss, Lisa Paus, und des finanzpolitischen Sprechers der Linken, Axel Troost, zeigt: In einem Aufsatz für die rot-rot-grüne Denkfabrik Institut für Solidarische Moderne entwickeln sie einen Plan für eine "Europäische Ausgleichsunion".

Sie soll vor allem Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen der Eurostaaten abbauen. Die Abgeordneten zeigen auch, was das für Deutschland bedeuten würde: einen umfassenden Strukturwandel.

Konkret wollen Paus und Troost den Euro-Stabilitätspakt durch eine "außenwirtschaftliche Schuldenbremse" ersetzen. Wie hoch das Risiko ist, dass ein Staat zahlungsunfähig wird, lässt sich am frühesten an der Außenbilanz ablesen - importiert er ständig mehr Güter und Dienstleistungen, als er exportiert, muss er sich immer mehr im Ausland verschulden.

Zudem kann ein Vergleich von Außenhandelssaldo und staatlicher Finanzlage auch gefährliche Schuldentrends in der Privatwirtschaft anzeigen, die von den bisherigen Stabilitätskriterien nicht erfasst werden.

Das Problem liegt aber nicht nur bei den Defizitländern, sondern mindestens genauso bei den Überschussländern, die sich von den Exporten und damit der wirtschaftlichen Lage in anderen Staaten abhängig machen. Und in dem Zusammenspiel der beiden: Wenn ein Land mehr ex- als importiert, muss zwangsläufig anderswo mehr ein- als ausgeführt werden.

Ziel der "Europäischen Ausgleichsunion" soll deshalb ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht zwischen den Euroländern sein. Das könnte so erreicht werden: Binnen einem Jahr dürfen die Leistungsbilanzen Defizite und Überschüsse von nicht mehr als 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, also der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes, aufweisen. Das entspräche konjunkturellen Schwankungen. Es soll aber nicht erlaubt werden, diese Ungleichgewichte über Jahre hinweg zu kumulieren.

Paus und Troost stellen sich einen Vertrag mit verbindlichen Sanktionsmechanismen bei Verstößen vor: Wenn ein Land die 3-Prozent-Hürde reißt oder Überschüsse über mehrere Jahre ansammelt, werden Strafgebühren fällig. Diese fließen in einen europäischen Fonds, mit dem der Strukturwandel gefördert werden soll.

Zudem soll die EU-Kommission die Sünder mit blauen Briefen verpflichten, sowohl dem Rat als auch dem Europaparlament zu erklären, wie sie ihre Leistungsbilanzen ausgleichen wollen.

Wie stark das Gleichgewicht heute schon verschoben ist, zeigt sich, wenn Paus und Troost darlegen, was ihr Konzept für Deutschland bedeuten würde: Derzeit liegt der strukturelle Überschuss der Bundesrepublik gegenüber den anderen EU-Ländern bei mindestens 80 Milliarden Euro. Allein seit 2006 haben sich die Leistungsbilanzüberschüsse auf rund 580 Milliarden Euro summiert.

Um mittelfristig auf eine ausgeglichene Bilanz zu kommen, müsste Deutschland demnach sowohl seine Importnachfrage mächtig stärken als auch seinen Export drosseln. Das hieße etwa: Bedingungen für höhere Löhne schaffen, im öffentlichen Dienst höhere Gehälter zahlen und staatliche Transferleistungen erhöhen. Zugleich bräuchte die Wirtschaft einen weitreichenden Umbau.

Denn weder benötigen Landwirte in Deutschland megatonnenweise Düngemittel, die die chemische Industrie sonst ins Ausland verkauft, noch warten die Autofahrer auf die Massen noch größerer und noch umweltschädlicherer Autos, wie die Hersteller sie derzeit gerade für den Export produzieren.

Paus und Troost halten das zwar für "eine enorme Herausforderung", aber auch für möglich. Außerdem sei "dieser Strukturwandel im Sinne eines sozial-ökologischen Umbaus nicht zuletzt aus Gründen des Klima- und Umweltschutzes unausweichlich". Da liege es doch nahe, "ihn durch die Neufassung eines makroökonomischen Regimes in Europa mit zu befördern".

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8 Kommentare

 / 
  • MD
    mellow dramatic

    Das ist das Dümmste, was ich seit Jahren gelesen habe. Weder wird differenziert auf Ursachen der Leistungsbilanzüberschüsse bzw. -defizite eingegangen, noch wird ein Weg vorgeschlagen, der sich in irgendeiner Weise an Nachhaltigkeit orientiert.

     

    Verordnete Unproduktivität und Steigerung der Konsumquote ist wohl mit dem Leitbild ökologischer und ökonomischer Effizienz und Suffizienz ziemlich unverträglich.

     

    Wer Sätze verbricht wie "Eine Stärkung der Binnen-nachfrage ist eine wesentliche Stütze für einen [...] Strukturwandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft." zeigt, dass es nur um das Kochen ideologischer Süppchen geht. Das ist die dreißig Jahre alte DGB-Debatte. Und aus Modegründen ist halt das Wörtchen nachhaltig davorgeklebt.

     

    Frau Paus hat sich damit aus jeder ernstzunehmenden Debatte über Wirtschaftspolitik und Nachhaltigkeit verabschiedet, sie sollte aus dem Finanzausschuss zurücktreten. Die Grünen sollten ihre Mitarbeit an diesem "Institut" einstellen.

  • G
    guntherKummerlande

    Ich habe selten so einen so dämlichen Vorschlag

    vernommen.

    Exportnationen sind also per se ganz böse.

    Es ist doch in Wirklichkeit so, dass das

    EU-Ausland ihre eigenen Industrien päppeln will,

    um dann wenn der Laden auseinandergebrochen ist,

    extrem wettbewerbsfähig dazustehen.

    Und am besten sollen wir erzverblödeten,

    pseudofrömmelnden Deutschen das auch noch finanzieren.

    Das ist politische gelenkte Wirtschaftsdemontage

    für deutsche Solidarität.

    So kann man mit unserer Bevölkerung nicht umspringen.

     

    Die Welt hat zu wenig neue Nischenmärkte geschaffen.

    Große Bildungsdefite (in Deutschland gibt es

    7,5 Millionen Analphabeten!!! und sicherlich

    auch Millionen sehr gering qualifizierte

    Arbeitskräfte). Wir haben mit unserer Rekordverschuldung selber große Probleme, die

    nur mit erheblichen Geldaufwendungen zu lösen sein

    werden.

    Die Pseudokommunisten wollen mit der Zerstörung

    des privaten Unternehmertum die Abhängigkeit

    von dieser EU-Monströsität nur verstärken.

    Nicht Deutschland ist das Problem gewesen,

    sondern die EU mit Förderprogrammen,

    welche für nur unzureichende nachhaltige Beschäftigung sorgten.

    Die EU selber gehört auf den Prüfstand, ob

    die Milliarden investierter Euro tatsächlich

    in vielversprechende Ausbildungsprogramme

    und attraktive Firmengründungen, gemeinnützige

    Organisationen geflossen sind.

    Mir scheint es, die Fördermittel für

    Schwimmhallen, Subventionen der Großagrarindustrie,

    Allimentierung von Wohnungsbaugesellschaften,

    "Infrastrukturmaßnahmen" in strukturschwachen Regionen haben all das kostbare Geld

    verbrasst. Weg mit diesen Wasserkopf EU!!

    Der Gedanke, man brauche eine Zentrale EU,

    die für die dummen EU-Bürger alles regeln werde,

    ist eine Entmündigung.

    Wir wollen unser Glück in die eigenen Hände nehmen.

     

    Im übrigen ist die Zielsetzung auch völlig falsch.

    Den funktionierenden Volkswirtschaften müssen

    Handelsbeziehungen offeriert werden, die tatsächlich

    auch attraktiv sind. Die Kreativität ist hierbei

    gefragt!! Und Griechen sind bestimmt nicht wesentlich

    ärmer als Deutsche, denn der Anteil der Deutschen

    die Boote und Rente ab 60 haben, ist nicht hoch.

    Außerdem besitzen zum Beispiel die Griechen

    auch außerhalb ihres Landes noch Konten.

     

    Wir Deutschen sind nicht für alle verantwortlich

    und auch nicht an der Armut anderer Schuld.

    Es bedarf nicht zwingend der industriellen Produktion, um funktionierende Volkswirtschaften

    zu gründen. Wichtig ist nur ein verantwortungsvoller

    Kapitaleinsatz, Investoreninteresse, eigene ethische

    Ziele und Lebensvisionen und Rechtstreue.

    An all diesen Grundprinzipien ordentlichen

    Wirtschaftens lässt es die EU schmerzlich missen.

     

    Nur hinsichtlich einer Dumping-Lohnstrategie

    des deutschen EU-Binnenexportes müßte

    abgeschworen werden, wenn die EU-Importe im

    selben Produktsegment ebenfalls subventionsfrei

    und ohne Hungerlöhne oder mit ausgleichenden

    Aufschlag versehen würden.

     

    Dänemark und die Niederlande und Österreich sind

    weder Exportweltmeister, noch Ölstaaten, noch

    Bankenmetropolen und dennoch sehr wohlhabende

    Staaten. Sie wirtschaften gut und zeigen, dass

    sie sich allein auch ganz gut regieren können.

    Sie widerlegen die Thesen der EU-Chaoten.

  • H
    *hust*

    man lese sich einfach mal das orginalpapier durch, dann redet man evtl. weniger unsinn als meine 4 vorposter.

     

    http://www.solidarische-moderne.de/de/article/154.die-europ%C3%A4ische-ausgleichsunion-die-waehrungsunion-2-0.html

  • EW
    Erik Weber

    Man stelle den Leuten, die das trauemen, ein Stueckchen Ex-Deutschland (Berlin 50 KM nach Norden, dann mit dem Lineal nach Norden und Osten die Grenze ziehen) zur Verfuegung, genug Freiwillige die mitmachen gibts ja (? oder) und dann machts den Praxistest. Wenn in dem Gebiet dannach die Inikatoren des Fortschritts auf "besser", und die Migranten nicht Schlange stehen (nicht wahr -

    offene Grenzen ist doch auch Lieblingsthema), also drinne sind, daaaann duerfen die Autoren wiederkommen, das ernsthaft vortragen.

     

    Um mal zu zitieren "ich glaub', es hackt".

  • S
    Slobo

    Was ist denn das für ein Kappes? Das läuft am Ende auf Planwirtschaft hinaus!? Dieses Ganze-Euro-Stabilitäts-Gerede ist total nervig, intransparent und unrealistisch. Man kann keinem Staat und keiner Wirtschaft diktieren, was zu tun ist - außer man befindet sich in einer Diktatur. Die Börsen-Casinos zuzumachen wäre wesentlich sinnvoller und effektiver. Dann würden aktuell auch nicht die Ölpreise steigen. Diese Geld-Instabilität hängt mit genau einer Sache zusammen: Spekulation. Diese Macht gilt es zu vernichten.

  • X
    xyz

    "Europäische Ausgleichsunion". Klingt nach einem aufgeblähten Bürokratiemonster und sehr marktfeindlich.

    Mal ehrlich: wenn Staaten wie Griechenland zu wenig exportieren, dann liegt das daran, dass sie keine wettbewerbsfähigen Produkte haben. Dito Irland, USA usw. Als positiven Gegensatz siehe Deutschland.

    Linke und Grüne sind - wie man hier mal wieder bestens erkennen kann - notorisch leistungsfeindlich und wollen möglichst viel staatliche Bevormundung - erst wenn der wirtschaftliche Ast abgesägt ist, auf dem sie sitzen, werden sie's bitter bereut haben.

  • C
    Chris

    "im öffentlichen Dienst höhere Gehälter zahlen"

    das löst natürlich jedes Problem... Zumindest freut es die Wähler.

     

     

    Vorschlag:

    Wir produzieren in Zukunft Olivenöl, das will im Ausland bestimmt keiner.

    Dafür müssen wir dann unsere Werkzeugmaschinen, Gasturbinen etc. in Griechenland kaufen.

    Die Amis und Chinesen sind dann so freundlich und verzichten auf große Autos ... (wenn nicht, können wir in der UN ja formellen Protest einlegen)

     

    Naja, ich bin zuversichtlich, dass die Experten der ex-SED den dt. Exportüberschuss schon irgendwie abbauen können.

  • H
    halfbrain

    Das ist ja ein ganz 'toller' Vorschlag, quasi aus dem Tollhaus. Vielleicht ist den Autorinnen ja nicht bewusst, dass Exportüberschüsse (im Warenverkehr!!) im wesentlichen dadurch entstehen, dass die 'Nachfrager',also die ausländischen Käufer, wegen des Preis-/Leistungsverhältnisses die Waren kaufen. Wer sich also bemüht, gute Produkte zu einem fairen Preis auch im Ausland anzubieten, der sollte - nach den Vorstellungen der Autorinnen - offensichtlich bestraft werden. Dagegen können die Länder mit Importüberschüssen, sich zurücklehen und sich keinerlei Mühe (mehr) geben, ihre (Waren-)Außenhandelsbilanz in die Waage zu bringen. Hoch lebe das Prinzip der Leistungsfähigkeit!