Europäische Verteidigungspolitik: Killer-Roboter statt Navigationssystem
Das EU-Parlament genehmigt 500 Millionen Euro für einen Rüstungsfonds. Der soll Europas „strategische Autonomie“ verbessern. Aber was heißt das?
Brüssel taz | Es klingt wie Routine: Das Europaparlament hat am Dienstag in Straßburg grünes Licht für einen neuen 500 Millionen Euro starken EU-Fonds für die Rüstungsindustrie gegeben. Damit sollen Innovationen im Verteidigungssektor gefördert und die „strategische Autonomie“ Europas verbessert werden. Außerdem hoffen die Europaabgeordneten, durch die neue zentrale Förderung Kosten zu sparen.
Doch für den Fonds, der Teil der neuen europäischen Verteidigungsunion ist, musste die EU tief in die Trickkiste greifen. So wurde Artikel 41(2) des Lissabon-Vertrages übergangen, der „Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen“ ausdrücklich von der EU-Förderung ausschließt. Das Geld war ursprünglich für zivile Haushaltslinien vorgesehen.
So wurde das Budget für zivile Konfliktprävention und Friedenssicherung um mehr als die Hälfte gekürzt, wie der Vorsitzende der Europa-Grünen, Reinhard Bütikofer, kritisiert. Fest eingeplante Fördermittel für das Satelliten-Navigationsprojekt Galileo oder das Infrastruktur-Programm Connecting Europe werden direkt in den Rüstungsfonds umgeleitet, der 2019 starten soll.
Warum nicht auch Landminen und Brandwaffen?
Umstritten ist auch die Verwendung der Mittel. Der Pressedienst der Europaparlaments nennt ferngesteuerte Systeme wie Drohnen, den „autonomen Zugang zum Weltraum und zu ständiger Erdbeobachtung“ oder die Cybersicherheit als mögliche Anwendungs-Bereiche. Bütikofer und andere Kritiker vermuten aber, dass autonome Waffensysteme, so genannte Killer-Roboter, gefördert werden sollen.
Auch Streumunition, Landminen und Brandwaffen könnten mit EU-Hilfe entwickelt und exportiert werden, kritisiert Bütikofer. Empört zeigen sich auch Linke und Sozialdemokraten. Das Europaparlament habe 2004 die Förderung von Killer-Robotern verboten, so Sabine Lösing von der Linken. Die Verhandlungsführerin des Parlaments, die französische Konservative Françoise Grossetête, habe ihr Mandat überschritten.
„Wir brauchen keine zusätzliche Subventionierung der gut aufgestellten europäischen Verteidigungsindustrie“, meint auch die industriepolitische Sprecherin der Europa-SPD, Martina Werner. Doch Konservative und Liberale setzten sich über alle Einwände hinweg. Der neue Verteidigungs-Fonds soll auf Vorschlag von EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) sogar noch aufgestockt werden.
Zwischen 2021 und 2027 sind für rüstungsindustrielle Entwicklungsprojekte 8,9 Milliarden Euro eingeplant, für den Verteidigungsfonds insgesamt 13 Milliarden Euro.