Europäische Asylpolitik: EU will Balkan zur Transitzone machen
Brüssel und Berlin planen riesige Auffanglager für Flüchtlinge auf dem Balkan. Die Menschen sollen von dort direkt abgeschoben werden.
Mehr Zelte, mehr Decken, mehr Helfer für die Flüchtlinge, die zwischen Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien umherirren – so das EU-Programm. Juncker hatte sogar den Chef des UN-Flüchtlingshilfswerks António Guterres eingeladen, der mit seinem Know-how helfen sollte.
Doch die humanitäre Krise rückte schnell in den Hintergrund. Denn die Balkanländer stecken auch in einer politischen Krise, zwischen Kroatien und Serbien herrscht Funkstille. „Wenn sie wieder miteinander sprechen, wäre schon viel gewonnen“, seufzte ein EU-Diplomat.
Misstrauisch blicken viele Balkan-Regierungschefs aber auch nach Deutschland. Dem bevölkerungsreichsten EU-Land, das die Flüchtlinge wie ein Magnet anzieht, geben viele eine Mitschuld an dem Chaos auf dem Balkan. Wenn Deutschland und Österreich die Grenzen dicht machen sollten, würden sie sofort dasselbe tun, warnten Bulgarien, Rumänien und Serbien.
Gigantische Auffanglager
Die große Sorge der Südosteuropäer: Berlin könnte seine Flüchtlingspolitik weiter verschärfen – mit der Folge, dass immer mehr Hilfsbedürftige auf dem Balkan hängen bleiben. „Wir können aus unserem Land kein riesiges Flüchtlingslager machen“, sagte der griechische Migrationsminister Giannis Mousalas.
Jean-Claude Juncker
Doch genau darauf könnten die Pläne hinauslaufen, die vor dem Treffen in Brüssel diskutiert wurden. Nicht nur in Griechenland, sondern auch in Bulgarien, Kroatien und anderen EU-Grenzländern könnten gigantische Auffanglanger entstehen, in denen die Menschen auf ihre Weiterreise in ein Aufnahmeland oder die Abschiebung in die Heimat warten.
Denn nichts anderes bedeuten die Pläne für neue „Hotspots“, die nach Italien und Griechenland nun auch für die Türkei und den Balkan diskutiert werden. In den Registrierungszentren soll künftig auch entschieden werden, welche Migranten wieder abgeschoben werden sollen, weil sie keine Aussicht auf den Schutz als Asylbewerber oder Bürgerkriegsflüchtling haben.
„Es geht jetzt darum, den Migrationsstrom zu verlangsamen und unsere Außengrenzen unter Kontrolle zu bringen. Wir müssen auch klarmachen, dass Menschen, die an unseren Grenzen ankommen, aber nicht internationalen Schutz suchen, kein Recht auf Zugang in die EU haben“, sagte Juncker dazu in der Bild am Sonntag.
Die Balkanroute abdichten
In einem 16-Punkte-Plan, der vor dem Gipfel verteilt wurde, wurde der Kommissionschef noch deutlicher. „Die Regierungschefs verpflichten sich, ihre Bemühungen zur Rückführung von Flüchtlingen zu verstärken“, steht da. Wer sich nicht registrieren lasse, werde künftig als illegaler Flüchtling betrachtet, heißt es in der EU-Kommission.
Aus der Brüsseler Behörde kommen offenbar auch Pläne, auf dem ehemaligen Olympiagelände bei Athen ein Lager für 40.000 bis 50.000 Menschen zu bauen. Die EU-Kommission wollte das zwar nicht offiziell bestätigen. Doch die Idee passt in Junckers Plan, die Balkanroute abzudichten und mehr Flüchtlinge abzuschieben.
Ähnliche Überlegungen stellte vor dem Gipfel die Bundesregierung an. In den Hotspots müssten die Menschen nicht nur registriert werden, hieß es. Dort müsse auch über Schutzbedürftigkeit und „Rückführung“ entschieden werden. Da dies einige Zeit in Anspruch nehme, müsse ein „Hotspot“ in der Lage sein, einige zehntausend Menschen aufzunehmen.
Doch wie sollen solch gigantische Lager aus dem Boden gestampft werden? Auch dazu finden sich Hinweise in dem Juncker-Papier. Das UNHCR soll beim Bau von „Aufnahme-Kapazitäten“ – sprich: riesigen Zeltstädten – helfen, heißt es da. Für die Finanzierung sollen die Europäische Investitionsbank und andere EU-Institute geradestehen.
Serbien gilt als kompromissbereit
Die Sache hat allerdings einen Haken: Die Balkanländer wollen nicht mitspielen. Der Kommissionsentwurf sei „nicht ernsthaft“ und unrealistisch, sagte Kroatiens Regierungschef Zoran Milanović. „Wir werden kein Hotspot für Migranten werden“, erklärte er.
Auch der serbische Regierungschef Aleksandar Vučićsagte „schwierige Gespräche“ voraus. Serbien gilt aber als kompromissbereiter als Kroatien, da es sich noch um eine EU-Mitgliedschaft bewirbt und dabei auf deutsche Hilfe angewiesen ist. Große Hoffnungen setzten Juncker und Merkel auch auf Slowenien, das sich allein nicht mehr zu helfen weiß.
Das kleine Land ist seit der Schließung der Grenze durch Ungarn zum neuen Brennpunkt der Krise auf dem Balkan geworden. In gut einer Woche sind mehr als 60.000 Flüchtlinge angekommen.
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