piwik no script img

EurokolumneIhre Majestät möchte lieber knausern

Eric Bonse
Kolumne
von Eric Bonse

Merkel ist Europas Sparmonarchin. In Deutschland wagt niemand der Kanzlerin zu widersprechen. Doch in der EU bricht ihre Allianz auseinander.

Wer ist hier die Queen? Bild: reuters

O ffiziell wurde das Delikt der Majestätsbeleidigung schon im Deutschen Reich abgeschafft. Doch wenn es um Kanzlerin Merkel und den Euro geht, leben wir wieder in vordemokratischen Zeiten. Wer es wagt, Ihre Majestät zu kritisieren und am Merkel’schen Spardogma zu rütteln, wird mit einem öffentlichen Shitstorm nicht unter fünf Tagen bestraft. Und natürlich mit der Verbannung vom Hofe.

Genau das ist jetzt Frankreichs Staatschef Hollande passiert. Weil seine Sozialisten es wagten, Merkel „egoistische Unnachgiebigkeit“ vorzuwerfen und eine „Konfrontation“ zu fordern, feuern deutsche Medien und Politiker aus allen Rohren auf Paris. Dabei war die Analyse, dass Merkel in der Eurokrise vor allem an die deutsche Wirtschaft denkt, völlig richtig. Richtig ist auch, dass Euroland nicht noch mehr Sparprogramme braucht, sondern Wachstum. Die Konjunktur kühlt sich gerade empfindlich ab, nach Volkswagen bekommen auch BMW und Siemens die Krise zu spüren.

Doch in Brüssel gewähren die EU-Granden bereits ein bisschen Gedankenfreiheit. Kommissionspräsident Barroso sprach aus, was viele denken: Der Sparkurs hat seine Grenzen erreicht. Italiens neuer Premier Letta stimmte ein: „Sparprogramme allein töten uns“, sagt er bei seinem Amtsantritt.

Bild: taz
Eric Bonse

ist Brüssel-Korrespondent der taz.

Sparen? Non, merci

Deutet sich also eine Wende an? Fällt beim nächsten EU-Gipfel das Merkel’sche Spardogma? Oder müssen die Kritiker so lange warten, bis Ihre Majestät vom obersten Souverän, dem deutschen Bürger, abgestraft wird, wie man in Paris offenbar glaubt? Die Sache ist wohl ein wenig komplizierter. Manches ist schon jetzt in Bewegung gekommen, anderes dürfte noch lange – zu lange – dauern.

Fangen wir mit den guten Nachrichten an: Der Sparkurs wurde bereits gelockert. Spanien und Portugal haben mehr Zeit zur Erfüllung ihrer Defizitziele erhalten, Frankreich dürfte bald folgen. Auch Italien kann mit Nachsicht rechnen, schließlich gibt es so etwas wie einen Amtsbonus für den neuen Premier. Und noch hängt Rom nicht am Tropf der Euroretter, es ist sogar Geberland.

Zu den guten Nachrichten gehört auch, dass sich die Niederlande über Merkels Dogmen hinwegsetzen. Bei Hofe spricht man nicht gerne darüber, in den großen Zeitungen wird selten davon berichtet. Doch kaum, dass der niederländische Finanzminister Dijsselbloem zum neuen Eurogruppenchef ernannt wurde, genehmigte er sich für sein eigenes Land ein milliardenschweres Sparmoratorium.

Wachstum zuerst, heißt die neue Parole in Den Haag – und die Kritiker des Sparkurses in Paris, Rom oder Brüssel können sich darauf berufen. Man denke nur: Ausgerechnet Jeroen Dijsselbloem, der Statthalter Ihrer Majestät in der Eurogruppe, wird zum Kronzeugen gegen die deutsche Austeritätspolitik!

Wenn Hollande und Letta es geschickt anstellen, können sie mit Dijsselbloem ein Bündnis schmieden. Sie müssen gar nicht die offene Konfrontation mit Merkel suchen, wie dies die französischen Sozialisten zunächst gefordert hatten. Es genügt, Ihre Majestät mit den Realitäten zu konfrontieren: Die Sparvorgaben sind nicht zu halten, ein Land nach dem anderen fällt vom deutschen Dogma ab.

Tabus bei Hofe

Doch die schlechte Nachricht: All diese Lockerungsübungen werden nicht reichen, um Wachstum zu schaffen und die Eurokrise zu überwinden. Südeuropa steckt nicht nur in einer Rezession, sondern in einer überaus gefährlichen Depression.

Die lässt sich nicht mit dem Aufschieben von Sparzielen überwinden. Was wir brauchen, ist eine expansive Finanzpolitik. Zumindest in jenen Ländern, die sich das leisten können – also Deutschland, Österreich, Finnland und vielleicht auch die Niederlande. Die Export- und Überschussländer müssen gegensteuern und mehr aus den Krisenländern importieren. Nur so kann die Konjunktur in Gang kommen.

Doch bis sich diese Einsicht in Berlin durchsetzt, kann es noch lange dauern. Bei Hofe ist sie tabu. Und selbst die Opposition wagt es nicht, in die Richtung zu denken. Irgendwie ist Deutschland doch eine Monarchie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • M
    magy

    Warum sind die Zinsen gesenkt worden, damit wir uns weiter verschulden können, das wir für eine gewisse Zeit die Zinslast unserer enormen Schulden mindern können. Aber auch weil es ein super Geschäft ist siehe Entwicklung des Aktienmarktes seit der Senkung.

     

    Für mich ist all das mit dem Euro, all die sogenannten "Sparmaßnahmen", all die Debatten wer Insolvenz anmelden soll wie Griechenland, Zypern, Spanien, bald Italien und Frankreich eine künstlich gemachte Krise.

     

    Die Folgen der Gier sind unbeschreiblich, austragen und bezahlen müssen wir es und all die Bürger der oben genannten Länder.

     

    Ich habe auch gesagt, ja hätten die mehr sparen sollen, dann wäre es nicht so weit gekommen. Falsch

     

    Die haben es gut gemacht zu leben zu genießen. Griechenland war noch gar nicht lange Zeit unabhängig und hat darum erst mal frei gelebt, aber auch über ihre Verhältnisse gelebt, so wurde es dargestellt.

     

    Griechenland wäre nicht am Rande einer Pleite, wären da nicht sog. Berater aufgetreten, die sie falsch beraten haben.

    Griechenland wäre eigentlich so reich an Gas, Öl und andere Erdschätze, das es seine Schulden komplett bezahlen könnten und es bliebe noch eine Menge Geld für den Staat und das Volk übrig.

     

    Um das ganz genau zu verstehen, auch zu verstehen, das uns der Euro nur schön geredet wird, das auch wir nicht weit von der Pleite weg sind durch unseren Schuldenberg erklärt wunderbar

     

    Dirk Müller mit seinem Buch "SHOWDOWN" erschienen 2013

     

    Es geht um Macht, um Weltleitmacht, um Geldgier, andere Länder mit aller verfügbaren Macht aus dem Rennen zu drängen, so an Öl und Gas vorkommen in unbeschreiblicher Menge zu kommen, wie um das Trauerspiel all der Länder die den Euro übernommen haben. Es scheint es ist ein Spiel der mächtigsten Regierungen dieser Welt zu sein.

  • C
    CoKien

    Die genannten Staaten sind nicht in der Krise, weil sie gespart haben, sondern weil zuviel Schulden aufgenommen wurden. Genau deswegen ist ja auch ein stetiger Wachstum notwendig, da die anfallende Zinslast anders nicht getilgt werden kann.

    Dazu kommt, dass das geliehene Geld auch nicht unbedingt so angelegt worden ist, dass ein Wirtschaftswachstum zu erwarten war. Die griechischen Rüstungsausgaben, oder die vollkommen ineffiziente Finanzverwaltung auf Kosten der anderen EU-Mitgliedsstaaten sind dafür zB recht gute Beispiele.

     

    Neue Schulden aufnehmen würde die Sache zwar nach hinten aufschieben, aber sehr wahrscheinlich verschlimmern, insbesondere, da vor allem Politiker an die Macht kommen, die Geschenke an die Bevölkerung verteilen, egal, ob man sich es leisten kann, oder nicht. Es sei denn natürlich, man stellt sich selbst dabei derartig bescheuert an, wie die FDP^^

  • J
    Jonas

    Wenn ich das Gerede vom Wirtschaftswachstum lese, frage ich mich,

    welchen Weitblick die Gesellschaft hat: das Wachstum ist zu Ende.

    Vorbei, finito, für immer. Warum? Ressourcen, Verschmutzung

    (CO2, Müll, Chemie, Atom, ...), Biodiversität, Entwaldung, Erosion, ...

     

    Und damit ist auch klar: das Geld, das den sinnlos verbrannten

    Öl/Kohle/Gas-Ressourcen und anderen Wegwerf-Produkten entsprach

    (via Eingliederung von "rückgezahlten" Schulden/Investitionen als Geld)

    kann nicht mehr durch neue Ressourcen-Extraktion in Wert gesetzt werden.

     

    Das verbrannte neue Geld (=Schulden) ist wertlos, die Wirtschaft mittel-

    und langfristig zum Abstieg verdammt, bis wir wieder im Rahmen

    der (dann viel kleineren, weil teilzerstörten) Ressourcen der Welt leben.

     

    Ruchbar wird das immer dann, wenn "eine Blase platzt",

    sprich wenn eine kritische Masse nicht mehr dran glaubt.

    Das waren bisher lokale Phänomene, aber irgendwann ist klar:

    es geht um das ganze Wachstums-System: tilt, game over.

     

    Die rechten und linken Wirtschaftseliten müssen begreifen,

    dass ihr Analyse-Raster mit der Realität nichts mehr zu tun hat.

    Es geht um eine Postwachstumsökonomie (Tante Google fragen).

  • H
    Hans

    Ich bin zwar Anhänger der Merkel-Strategie, doch es wäre auch ein Versuch wert, den Super-Hollande/Dragi abzugeben:

     

    Massive Lohnerhöhungen, Arbeitszeitreduktion, Rente mit 60 usw.

    Davon kaufen wir dann Geräte aus China und Autos aus Korea.

    Das ganze auf Pump vom Staat mit der Erwartung, dass uns unsere Euro-Freunde selbstverständlich "retten", falls uns die Märkte keinen Kredit mehr geben.

     

     

    Man stelle sich mal vor, wie die gleichen Leute auf Merkel schimpfen würden, würde sie diese asoziale Politik betreiben.

  • N
    noergler

    Auch wenn es sicher schon 100 mal gesagt wurde. Sparen bedeuetet weniger auszugeben, als man aus einere Kraft einnimmt.

     

    Kein Land in Euroa spart. Auch Deutschland nicht.

     

    Es geht lediglich um den Versuch, doch bitte etwas weniger Schulden aufzunehmen als vorher.

     

    Ich habe zwar kein Geld aber dafür heute kein kreditfinanziertes Haus gekauft. Nach neuer Lesart mithin ca. 300.000 € gespart. Wenn allein alle TAZ-Genossen so sparen , kommen schon 3.799.500.000 (3,8 Milliarden) zusammen.

     

    Dann lasst es mal krachen.

    PS : wenn ich mich einschränke, kann ich je Tag auch 500 TSD € sparen.

  • H
    Holkan

    Der Kommentator scheint frz. Zeitungen nicht zu lesen. Sonst wüsste er wie erstaunt man sich dort ob der Gleichgültigkeit der deutschen Medien ggü. Hollandes Attacken die Augen reibt. Das Feuern der deutschen Medien und Politiker aus allen Rohren scheint in Paris auf nicht angekommen zu sein.

  • K
    komplexer

    Lieber Dirk,

     

    wenn's doch so simpel wäre...

  • FH
    Florian Hinterhuber

    "Die Export- und Überschussländer müssen gegensteuern und mehr aus den Krisenländern importieren".Schön dahergesagte Floskel.Bei etwas Nachdenken wäre der Autor selbst daraufgekommen,dass keinem verboten wird,Waren aus den Defizitländern zu importieren.Einziger Haken:Die Waren müssen hierzulande auch an den Mann und an die Frau gebracht werden.

  • Z
    zweifler

    Herrschaftszeiten.

     

    Dann gebt doch den Südländern endlich ihren eigenen

    Südeuro und Brüssel noch als Zugabe.

     

    Sie können dann nach Herzenslust und nach Belieben Geld drucken und ausgeben. Der Himmel wid blauer, das Gras grüner und die Sonnen wird heller strahlen:)

     

    Griechenland bekommt eine funktionierende Verwaltung, Frankreich eine wettberwerbsfähige Wirtschaft und in Italien und Frankreich werden Hemmnisse und Bürokratie abgebaut. In Spanien verdoppeln und verdreifachen sich wieder die Immobilienpreise.

     

    Ich gönne es den Leuten.

     

    Den Zusammenhnag mit mehr Schulden kann ich selbst zwar nicht nachvollziehen; der Glaube ist ja auch ein Anfang.

  • G
    Georg

    Sehr gute Kolumne, Herr Bonse. Sie haben mit kurzen und präzisen Sätzen dargelegt, warum Frankreich, Italien und Spanien mit einer eigenen Währung, die ihre Regierungen selbst steuern könnten, wesentlich leichter ihre vorausschauende, verantwortungsvolle und nachhaltige Wirtschaftspolitik realisieren könnten. Dank der außerordentlichen Erfolge solcher Politik und der erheblichen Wohlstandsmehrung könnten die Menschen in diesen Ländern anschließend CARE-Pakete in das wirtschaftlich daniederliegende Deutschland senden. Es könnte aber auch umgekehrt kommen.

  • D
    Dirk

    Sparpolitik? Wirklich lustig. Gerade las ich, dass Olli Rehn, seines Zeichens EU-Wirtschaftskommissar fuer Frankreich mit einem Defizit von 3,9% fuer 2013 rechnet.

     

    Sparen heisst doch, weniger auszugeben als man einnimmt, oder taeusche ich mich da?

     

    Wenn Frankreich also ein Defizit von fast 4% aufweist und da von Sparen gefaselt wird, ist das der reinste Hohn. Und wenn dieses 'Spardiktat' nun aufgweicht werden soll, heisst das was? Mehr und neue Schulden natuerlich..