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EurokolumneSparers Leid mit der Dicken Bertha

Kolumne
von Rudolf Hickel

Ja, es ist schlimm, wenn durch die Niedrigzinspolitik der EZB Sparer kaum noch Zinsen bekommen. Aber die Alternative ist noch viel schlimmer.

Eine Möglichkeit, um trotz niedriger Zinsen Geld aus der Sparkasse rauszuholen Bild: dpa.

E uro-Krise, die nächste Horrormeldung: Der historisch niedrige Leitzins treibt die Kleinsparer des Kontinents in den Ruin, auch kapitalgedeckte Lebensversicherungen werfen nichts mehr ab. Die Dekabank hat es jetzt errechnet: Allein in Deutschland erleiden Sparer reale Vermögensverluste in Höhe von 14,3 Milliarden Euro – Ergebnis von Zins minus Inflation.

Das geht an die psychologische Verfassung der Vermögensbildner, die EZB gerät unter den Verdacht, deutsche Sparer enteignen zu wollen. Vorsicht: Man muss über Gründe und Wirkungen der von der Europäischen Zentralbank verursachten Liquiditätsschwemme aufklären.

Die Euro-Notenbank hat bereits zu Zeiten von Jean-Claude Trichet im Oktober 2010 begonnen, die Geldmärkte zu fluten. Mario Draghi schob milliardenschwere Programme zum unbegrenzten Aufkauf von Staatsanleihen aus Krisenländern nach – Ende 2012 befanden sich davon 524 Milliarden Euro in der EZB-Bilanz. Anleihen werden nur gekauft, wenn die Krisenstaaten sich der Sparpolitik des Euro-Rettungsfonds unterziehen.

Rudolf Hickel

ist emeritierter Professor für politische Ökonomie und Finanzwissenschaften an der Universität Bremen. Unter anderem gehört er zu den Gründern der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftswissenschaft, die mit ihrem jährlichen „Memorandum" seit 1977 ein Gegengewicht zum Gutachten des Sachverständigenrates schafft. Zuletzt veröffentlichte er das Buch „Zerschlagt die Banken – Zivilisiert die Finanzmärkte!

Der Streit um die Politik von „Dicker Bertha“ oder „Bazooka“ ist fundamental. Am 11. und 12. Juni wird vor dem Bundesverfassungsgericht über die Zulässigkeit der Geldschwemme aus Sicht des Grundgesetzes verhandelt. Die Deutsche Bundesbank stellt sich dabei provokant gegen die EZB. Es drohe Inflation, zudem der Verlust der Unabhängigkeit der Zentralbank.

Dabei ist der Streit um die monetäre Wahrheit einfach zu entschlüsseln. Die EZB-Kritiker haben die Herausforderung an eine Geldpolitik unter den Bedingungen einer von Zusammenbruch bedrohten Währungszone bis heute nicht begriffen. Ausgegangen wird dabei nämlich immer von einer nationalstaatlich abgegrenzten stabilen Währungsordnung, mittendrin ein ultrastabiles Bankensystem, das sich brav an die Umsetzung geldpolitischer Ziele hält. In dieser modellierten Welt gelingt die Transformation monetärer Impulse in die Produktionswirtschaft einigermaßen.

Defekte Geldversorgung

In Euroland tritt zum Ziel der Geldwertstabilität eine der Deutschen Bundesbank unbekannte Aufgabe: Die EZB muss die Finanzmärkte innerhalb von Euroland überhaupt erst sichern. Denn: Stabile Preise sind nur in einem stabilen Währungsraum zu garantieren. Aber die Geldmärkte für Banken funktionieren im Euro-Raum immer noch nicht. In diese Lücke der defekten Geldversorgung muss die EZB springen. Gegen das gespaltene Euro-Zinsgebiet sowie gegen die spekulativ übertriebenen Renditen für Staatsanleihen in Krisenländern ist sie sogar recht erfolgreich.

Dabei dienen die Notprogramme auch der Stärkung der Kreditvergabe der Banken an die Unternehmen, also der Produktionswirtschaft. Allerdings kauft die Euro-Zentrale trotz aller Erfolge nur Zeit. Eigentlich ist die Politik gefordert, die realwirtschaftliche Spaltung abzubauen – durch Verzicht auf die elende Austeritätspolitik als Gegenleistung für Finanzhilfen.

Gesundere Wirtschaft ist nötig

Je eher eine die Eurozone gestaltende Politik eingeleitet wird, um so eher kann die EZB den Anleihenkauf stoppen. Mit einer gesunderen Wirtschaft wäre auch der Abschied von der Niedrigzinspolitik möglich.

Der Kampf gegen Krise und Massenarbeitslosigkeit sowie die Stabilisierung des Währungssystems rückt die aktuellen Sparermalaisen in ein anderes Licht. Gegenüber den aktuellen Vermögensverlusten durch die Liquiditätsoffensive steht der Preis, der bezahlt werden müsste, wenn die EZB die Notoperation stoppen würde. Am Ende wären nämlich die Ersparnisse insgesamt nicht mehr sicher. Denn: Der Euro-Zusammenbruch führte mit Gewissheit zu massiven Vermögensverlusten durch einen Währungsschnitt.

Auch beim derzeitigen Leitzins von 0,5 Prozent ist die Alternativrechnung wichtig. Würde die EZB das Bankensystem nicht mehr mit Liquidität quasi zum Nulltarif versorgen, müsste man mit einem ökonomischen Absturz der gesamten Eurozone rechnen. Die Folgen: massive Einkommensverlusten sowie steigende Arbeitslosigkeit.

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11 Kommentare

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  • H
    H.Ewerth

    Heute wird wieder in Deutschland propagiert, nur sparen als der einzig richtige Weg in der Krise. Wie Geschichtsvergessen muss man sein? Wer den gleichen Fehler zweimal macht, ist entweder nur dumm, oder ignoriert die Ursachen. In den dreißiger Jahren, hatte der Reichskanzler Brüning folgende Äußerung gemacht ich zitiere:

    „Reichskanzler Brüning rechtfertigt seinen Sparkurs (1931). "Ich werde mich bis zum letzten dagegen wehren, irgendeine inflatorische Maßnahme irgendeiner Art zu treffen, und zwar nicht nur aus Gerechtigkeit, nicht nur zum Schutze der Schwachen, sondern weil ich der Ansicht bin, dass die ehrliche Bilanz in der deutschen Wirtschaft trotz aller Bitternisse wiederhergestellt werden muss und dass jeder Versuch und jedes Verlangen nach inflatorischen Maßnahmen letzten Endes nur den Zweck haben kann, diesen Prozess der klaren Bilanz der gesamten deutschen Wirtschaft zuschanden zu machen und wiederum einen Schleier über die Fehler der Vergangenheit zu ziehen“

     

    Zu welchem Desaster dies letztendlich geführt hat, weiß man doch noch oder? Kaputt sparen alleine, aller Brüning hatte noch nie in der Geschichte, in irgend einem Land auf dieser Welt aus der Krise geholfen, dass sei allen Unverbesserlichen ins Stammbuch geschrieben.

    Nach dem 2. Weltkrieg wurde Deutschland nicht durch einen rigiden Sparkurs wieder aufgebaut, oder liebe Deutsche? Die Schulden mussten warten, und wurden erst in den Neunzigern getilgt? Sondern durch Investition Programme, welche auch noch per Gesetz vor den Gläubigern geschützt wurden. Trotz dieser Erfahrungen, hält eine Mehrheit in Deutschland an dem Irrglauben fest, nur sparen hilft in einer Finanzkrise? Warum will man die Fehler, welcher in der Geschichte weltweit noch nie funktioniert haben, wiederholen?

  • K
    kassandriert

    klar, alle aktien(luftblasen) haben sich für immer unauffindbar in ihre bestandteile zerlegt. und klar benötigt es für die bedienung von anteilen eine produzierende gesellschaft. seit es so viele menschen gibt, ist die konzentration von produktionsmitteln(kapital) zwingend um alle durchzubringen. das problem sind immer wieder menschliche schwächen, die demokratien am besten überwinden können, denke ich. faktenfuck einfach ignorieren.

  • K
    kassandra

    Joouh , @FictionStattBrain , ... und wenn die Aktien-Luftblasen weltweit platzen , Dollar , Euro , Yen gen Himmel auffahren , wird der Kapitalismus wie Phönix aus der Asche auferstehen - für ein neues himmliches Reich auf Erden ! Denn der ist von Gott schon mit dem BigBang für alle Zeiten eingesetzt .

  • F
    FaktenStattFiktion

    Wer sein Geld fest anlegt, verliert durch die Infaltion ohnehin mehr an realer Kaufkraft als durch die Niedrigzinsen wieder ausgeglichen wird.

     

    Dabei gibt es eine gute Möglichkeit, sowohl den Standort Deutschland zu schützen, als auch das eigene Kapital und zudem echte Teilhabe zu praktizieren. Investition in deutsche Aktien und / oder Aktienfonds.

     

    Oder, für den linksgrünen taz-Leser stark vereinfacht: Aktien sind keine Euronoten, sondern ANTEILE am Unternehmen. Die sind auch noch da, wenn der € durch Infaltion abgewertet wurde.

    Vorausgesetzt natürlich, unsere Wirtschaft überlebt den Ausverkauf unserer Interessen für Südeuropa überhaupt. Ansonsten bleicbt noch die Flucht in Anleihen in Schweizer Franken oder US-$.

     

    Und falle es die Türkei in die EU schaftt, ist die beste Geldanlage eine Greencard.

  • S
    sarko

    "...die Weltordnung des KREATIVEN Evolutionspfades - wenn..."

    Ja klar , Optimist @Rüdiger K. ! Besonders , wenn das schöne Wörtchen wenn nicht wär ! Und wenn es nicht so unschöne Alternativen gäbe : Chaos , Diktatur , Mafia-Banden-Herrschaft , "Demokratie" à la Putin-Land .

    Die Zukunft ist offen , einen "Pfad" der Evolution , dazu noch einen "kreativen" , kennen nur Spinner und Hellseher .

  • C
    Corvin

    Ah ja, ich habe also nur die Wahl zwischen Pest oder Cholera. Anscheinend sind wir zu einer alternativlosen Geldpolitik verdammt.

    Es gibt allerdings Alternativen, diese werden allerdings vom Ökonomie Mainstream und der Presse immer noch nicht wahrgenommen. Ich verweise da auf die Alternativwährung Chiemgauer.

  • RK
    Rüdiger Kalupner

    "Zinspromille sind Volkeswille, doch so lang die Linke pennte, gab's für's KAPITAL stehts dicke Prozente." Diese Parole schlage ich den Linken seit 1990 um die Ohren.

     

    Merke: Basis-Zins-Einkommen sind risikofreie, d.h. leistungslose Kapitaleinkommen, das nur die Angebot-Nachfrage-Verhältnisse am Kapitalmarkt widerspiegelt. Sie sind der Kern der Ausbeutung der Leistenden. Schon Marx wußte, dass die Profitrate zurückgehen werde. Dies kann man durch Verschuldungs- und Investitionsprojekt des Staats verhindern. Dazu diente die Hereinnahme der PIIGS-Staaten in die EURO-ZOne. Damit ist nun für immer Schluß. Die Euro-Projekt war das letzte große Investitions-Zwangsprojekt.

     

    Deshalb gilt: Die Euro-Überschuldungskrise ist eine Epochenwechsel-Krise. Die alte Industriekultur-Epoche des stetn Kapitalstock-Wachstums-auf-Kosten-der-Beschäftigung hat mit der Herrschaftsform des 2%Wachstumszwang-Absolutismus ihre Endphase erreicht. Die Euro-Krise führt ins 'Reich der Freiheit'. Die ökologische Umfinanzierung der Sozial- und Staatsleistungen führt aus dem 2%Moloch heraus und unter die Weltordnung des KREATIVEN Evolutionspfades - wenn der Ökoansatz denn zu Ende gedacht wird. Das tut auch Herr Hickel nicht, sonst würde er anderes denken und schreiben.

     

    Das wollen auch die Spitzen der etablierten Parteien, einschl. der Grünen Spitzenpolitiker nicht. Also geht die Euro-Krise bis zum Tag X weiter.

  • II
    Ironimus Irrwitz

    Was will uns Herr Hickel sagen ?

    - "Leute , seid froh , dass der ganze Euro-Laden noch nicht zusammenkracht ."

    Was sagt er uns nicht ?

    - "Man kann nicht damit rechnen , dass die gesamte Eurozone n i c h t zusammenbricht ."

     

    Das darf aber heute auch sonst niemand öffentlich sagen . Außer Leute wie Ironimus Irrwitz .

  • V
    Valentin

    Verzweiflungsartikel!

     

    Das ist genau die Meinungsmache, die uns dumm halten soll, im Auftrag der Mächtigen! Und die taz spielt mit im Orchester des Mainstreams.

     

    Aber lange wird auch die taz ihre grüne Mittelschicht-Klientel mit Sparguthaben und Kapitallebensversicherung nicht mehr mit solchen schwachsinnigen Verzweiflungsartikeln beruhigen können.

     

    Es wird alles immer offensichtlicher. Da hilft keine Propaganda mehr. Und noch so lange bis zur Wahl. Gott sei Dank!

  • RS
    Ralf Schmidt

    Zinseinnahmen sind Gewinn in Geld auf Geschäfte mit Geld.

    Niemand hat Anspruch auf sicheren Gewinn auch Sparer nicht.

    Staatliche Organe, auch die Bundesbank ist ein solches - wie die Europäische Zentralbank -, sind nicht dazu da, Gewinne zu garantieren oder auch nur daraufhinzuarbeiten.

    Denn der Staat ist für die Menschen da und nicht für die Gewinne.

    Ralf Schmidt

  • I
    Irmi

    Um Euro und Europa zu retten um JEDEN Preis, werden Aktionen wie Sinssenkung gemacht. Wen von den Politikern kümmert der kleine Sparer.

     

    Wenn man für Billionen Schulden Wege sucht um die Rückzahlungen verringern zu können, gibt es die staatlichen Pleitebons oder die Zinssenkung. Beschissen ist am Ende immer der Kleine, die Großen haben ihr Geld im Ausland gesichert untergebracht.