Eurokolumne: Hollandes Höllenritt
Die Franzosen sollen von den Deutschen lernen. Aber sie wollen nicht. Deshalb könnten die Pläne von Staatschef Francois Hollande in einem Desaster enden.
F rankreich macht derzeit Schlagzeilen als „kränkster Mann Europas“, ein Titel, mit dem sich Deutschland vor zehn Jahren schmücken durfte. Nun haben wir uns am Riemen gerissen, Hartz-reformt, aus europäischen Defizitsünden herausgespart und gesundexportiert. Voller Stolz verkündete Finanzminister Wolfgang Schäuble unlängst einen ausgeglichenen Etat für 2014.
Und Paris? Angeblich beschrieb Gerhard Schröder hier im Dezember, wie Deutschland es damals schaffte: „Wir haben die Euro-Defizitregeln gebrochen, aber diese Luft brauchten wir für Reformen.“ Frankreichs Eliten haben die Botschaft verstanden: Man hätte es 2003 auch so machen sollen. Aber: Frankreich hat den Tugendpfad nicht beschritten und muss nun sparen, schnell, drastisch, schmerzhaft. 50 Milliarden Euro will der neue Premier Manuel Valls streichen. Ob ihm das gelingt?
Denn Valls’ Parti Socialiste ist eine im Kern sozialistische, keine sozialdemokratische Partei, eine Linkspartei. Die PS hat ihr – im deutschen Sinne – „Bad Godesberg“ programmatisch noch nicht vollzogen. Der „Verantwortungspakt“ von Staatschef François Hollande ist darum ein Höllenritt, der im Politdesaster enden könnte.
Die Gegner des Präsidenten stehen nicht nur rechts. Marine Le Pen hat bei den Kommunalwahlen vor allem in Südfrankreich abgeräumt, ihre FN vielerorts als Fluchtburg für enttäuschte Arbeiter oder Joblose Jugendliche etabliert. Hollandes Gegner sind auch 100 sozialistische Abgeordnete unter der Führung von Karine Berger. Sie drohen damit, die Sparbeschlüsse zu kippen.
François Mitterrand konnte seinen Genossen nach der Pein zumindest die Gleichstellung Frankreichs mit Deutschland in der EZB in Aussicht stellen, als er die Franzosen 1983 auf désinflation compétitive und franc fort einschwor. Heute fehlt den Sozialisten die story zum wirtschaftlichen Kraftakt: Frankreich kann sich abmühen wie es will, es wird mit dem Exportriesen Deutschland und dessen wettbewerbsfähigen Mittelstand in absehbarer Zeit nicht gleichziehen. Fleiß ohne Preis – das funktioniert in Frankreich gerade nicht.
Zudem scheiden sich die Geister, ob Einsparungen und Reformen überhaupt das richtige Rezept sind. Wie schlecht geht es Frankreich tatsächlich? Das BIP ist seit 1991 stets stärker gewachsen als das deutsche. Auch bei den Schulden steht Paris gut da: Sie sind nur halb so hoch wie die Großbritanniens.
Hohe Arbeitslosigkeit
Aber: Die Arbeitslosigkeit liegt bei 10 Prozent, das Leistungsbilanzdefizit nimmt seit der Einführung des Euros zu, von einem Überschuss von 2,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf zuletzt etwa 2 Prozent Defizit. Frankreich hat 2013 etwa 40 Prozent weniger Autos hergestellt als 2005, Deutschland 15 Prozent mehr. Leider hat die Krise nicht nur die französischen Mittelklasse- und Kleinwagenbauer erfasst, sondern ganze Industriezweige.
Dagegen hat Deutschland von der Krise profitiert. Ob auch Frankreich seine Wettbewerbsfähigkeit wieder steigern kann und ob dabei rigorose Sparpolitik hilft, ist die eigentliche Frage. Und wie hoch der gesellschaftliche Preis dafür ist.
Angebotspolitik hat stets ein Gerechtigkeitsproblem. Sie schafft de facto einen Niedriglohnsektor à la Deutschland, vor dem bislang alle französischen Regierungen zurückgeschreckt sind – auch die konservativen.
In Deutschland sind acht Millionen Menschen davon betroffen. Privatisierung, Tariflockerung und Bürokratieabbau haben zu wachsender Ungleichheit geführt. Die Franzosen sind die Einzigen in Europa, die die von der EU empfohlene Norm der Lohnsteigerungen eingehalten haben. Die New York Times schrieb diese Woche dazu: „Unterbezahlte deutsche Arbeiter haben Europas Schuldenkrise mitverursacht.“ Logisch, dass Frankreichs Sozialisten die résistance proben.
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