: Euphorie in Dosen
■ Wie sich Bremer Multimedia-Agenturen durchbeißen
Bauarbeiter stehen vor dem weißen Haus auf dem Entwicklungsgebiet am Bremer Flughafen. Agentur-Chef Jens Wünderlich steht zwischen Umzugskartons. Frisch umgezogen ist die Agentur, „weil wir mehr Platz gebraucht haben.“„engram“ist eine der größten Bremer Multimedia-Agenturen, doch die Euphorie ist verhalten. Der „Überlebenskampf“sei hart, erzählt Wünderlich. „Wer jetzt noch in Bremen einsteigen will, wird es schwer haben oder gar scheitern.“
Denn seit Multimedia boomt, zog es die großen Kunden aus dem gesamten Bundesgebiet (z.B. Markenartikler) von Anfang an eher nach Hamburg, Berlin oder Frankfurt. Dort lassen sie sich CD-ROMs pressen, Webseiten für das Internet gestalten und elektronische Kataloge fertigen – zum Leidwesen der rund zehn Bremer Agenturen.
Auch von den Unternehmen aus Bremen sei, laut Wünderlich, nicht viel zu erwarten: „Die sind sehr hanseatisch und machen erst was mit Multimedia, wenn es alle machen“, sagt er. Als Jens Wünderlich 1990 gemeinsam mit einem anderen Betriebswirtschaftler mit „engram“an den Start ging, hätten sie Glück gehabt. Die Sparkasse Kiel bot sich als erster Kunde an – und seitdem hält „engram“eisern die Nische „Banken“besetzt. „Sonst hätten wir keine Chance gehabt.“
Rund 30 Grafik-Designer und Informatiker arbeiten jetzt im Haus, für das neue Domizil am Flughafen wurde kurzerhand Technologieförderung beantragt. Vor allem Infosysteme für Banken werden bei „engram“gestaltet: Kunden können damit per Touchscreen Informationen abrufen und sich bei Bedarf per Videokonferenz (mit Kamera und Monitor) mit einem Berater unterhalten. Volksbank und Sparkassen außerhalb Bremens zählen zu „engrams“Kunden.
Und weil es „engram“vor allem auf überregionale Unternehmen abgesehen hat, wurde kurzerhand eine Zweigstelle in Bad Nauheim gegründet. Mit Erfolg: Denn die „Pfeiffer Vacuum Company“klopfte bei „engram“an und bat um Gestaltung eines elektronischen Kataloges für Vakuumpumpen (für Ingenieure gedacht) und einer Webseite im Internet. Die Seite kam so gut an, daß die Bremer Agentur im März mit dem Webcompany-Award ausgezeichnet wurde. „Damit haben wir sogar die Seiten von McDonald geschlagen“, sagt der Agenturchef stolz, bremst sich aber: „In diesem Geschäft mußt du immer am Ball bleiben.“
„Wir sind noch nicht über den Berg“, sagt Agenturchef Rainer Bartosch von „Bremer Interaktive Medien“(B.I.M), bei denen vor allem umgeschulte LehrerInnen und PädagogInnen arbeiten: Mit Vulkan oder STN sei die Firma im Gespräch gewesen, doch dann sprangen die konkursgeschüttelten Unternehmen ab. Im Vergleich zu B.I.M hat die Bremer Agentur „Internationale Stadt Bremen“mehr Glück gehabt: Sie konnte mehrere Firmen innerhalb und außerhalb der Hansestadt anwerben und hat für sie Webseiten zur Selbstdarstellung im Internet gestaltet.
Bartosch vom B.I.M gründete dagegen einen Verlag, der eigene CD-ROM-Produktionen (Kinderabenteuer-Spiele) vertreibt. Weil das zum Überleben nicht ausreichte, bietet B.I.M außerdem Computer-Hardware an. „Wir müssen ja sehen, wo wir bleiben. Bremen ist ja nicht gerade ein Standortvorteil,“sagt der Geschäftsführer.
Darüber kann Detlef Hanken, Mitgesellschafter des Bremer Multi-Mediahauses, gar nicht genug lamentieren. „Bremen ist ein klarer Standortnachteil. Wir haben noch keinen Imagesprung geschafft“, zieht er Bilanz. „Wir sind in Bremen hoch im Norden ganz weit abgeschlagen. Wir haben noch kein Marktimage herausgearbeitet“, resümiert Hanken. Mehr Bremer Agenturen müßten etwa durch die Computermesse CEBIT bundesweites Aufsehen erregen sowie in einschlägigen Zeitschriften und Publikationen erscheinen.
Doch um das zu erreichen, seien fähige Leute gefragt. „Mehr Investitionen in die Bildung“, fordert Hanken deshalb. Vor allem brauche es Gelder für entsprechendes Computerequipement in Schulen und Hochschulen. Erst jetzt hat die Hochschule für Künste die Zeichen der Zeit erkannt: multimediafähige Computer für Grafik-Design-Studenten werden nun angeschafft. Außerdem sei ein Gastprofessor aus England angeworben worden: „Wir sind in der Entwicklungsphase“, sagt Hochschullehrer Peter Rautmann. Katja Ubben
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