: Essen cool in der „Homburger Hölle“
TuSEM verlor bei Niederwürzbach das Rückspiel mit 17:20, gewann aber das Finale des DHB-Pokals Nun spielt das Essener Starensemble gegen den Pokalsieger Nordost um die Teilnahme am Europacup ■ Von Günther Rohrbacher-List
Niederwürzbach (taz) — Es war einmal ein reicher Bauunternehmer in der Saarpfalz, der hatte einen großgewachsenen Sohn, der gut Handball spielen konnte. Also sprach der Herr Papa: „Der Bursche wird einst in der Bundesliga spielen und unser Dorf im ganzen Lande bekannt machen.“ Und so beschloß der clevere Geschäftsmann, die Bundesliga ins Saarland zu holen, heuerte honorige Trainer von außerhalb an, um Schritt für Schritt von der Verbandsliga bis ganz nach oben zu kommen.
Den umgekehrten, normalen Weg hatten schon so viele Stars aus der Region beschritten. Kaum waren sie über Saar, Mosel und Rhein hinaus bekannt, zogen sie von dannen: gen Gummersbach wie Andreas Thiel und Hans Müller, oder die kickenden Kollegen Stefan Kuntz (Kaiserslautern) oder in frühen Bundesliga-Jahren Elmar May (HSV). Als die zweite Bundesliga erreicht war, kam ein neuer Trainer, ein wahrer Profi: Petre Ivanescu kam von Dormagen in die Handballprovinz. Alle Welt staunte, und der Rumäne schaffte das Wunder, brachte erstmals nach über 20 Jahren wieder Bundesliga-Handball ins Saarland.
Das Team der Noch-Namenlosen hatte sogar bald zwei Nationalspieler, eben den Unternehmerssohn Jürgen Hartz und den aus Heppenheim gekommenen Markus Hochhaus. Im ersten Bundesligajahr erreichten die Weiß-Blauen gleich die Play-Off- Runde, schieden aber gegen den VfL Gummersbach im Viertelfinale aus. Im zweiten Jahr sollte alles noch besser werden. Oystein Havang aus Dormagen und Stefan Henrich aus Essen kamen hinzu und die 'Deutsche Handballwoche‘ erkor den TVN gar zum Meisterschaftsfavoriten. Aber es kam ganz anders.
Bis zum vorletzten Spieltag wurde um die Erstklassigkeit gebangt, bis schließlich Stuttgart-Scharnhausen als Absteiger feststand. Die verkorkste Saison schien abgehakt, aber es blieb ja noch der Pokal. Und der hat angeblich auch im Handball seine eigenen Gesetze, womit das Los gemeint sein muß. Das servierte den Niederwürzbachern nämlich im Viertel- und Halbfinale zwei schlagbare Gegner vor eigenem Publikum. Leutershausen und Bad Schwartau wurden prompt besiegt. Der Finalgegner hieß TuSEM Essen.
Das Vorspiel am Ostermontag hatten die Essener mit 21:16 gewonnen. „Was sind im Handball schon fünf Tore“, tönte TVN-Neutrainer Jörn-Uwe Lommel, der Ivanescu während der Vorrunde abgelöst hatte. Der, jetzt bei Essen als technischer Direktor, war im Ruhrpott geblieben. Eine taktische Maßnahme von TuSEM, um das Klima nicht zu vergiften. TuSEM-Spieler Karsten Kohlhaas wußte schon nach dem Heimspiel: „In der Hölle von Homburg erwartet uns noch ein schweres Stück Arbeit.“
Hölle? In der Tat. Was wären die Fußballer des FC Homburg in der Bundesliga froh gewesen, nur einmal vor so einer Kulisse, bei diesem Lärmpegel zu spielen. Und Jupp Heynckes und Erich Rutemöller würden es sich verkneifen, über den Lauterer Betzenberg-Horror zu klagen, hätten sie so etwas je erlebt. Weit über 3.000 Männer, Frauen und Kinder lärmten ihre Mannschaft mit Fanfaren, Trommeln und Kehlen nach vorne. Doch wie das so geht im Saarland: Man hat einfach kein Glück.
Die Saarbrücker Kicker sind zweimal in der Relegation gescheitert, Homburg abgestiegen, die Tischtennisspieler abgetaucht und die St.Ingberter Wasserballer gar abgesoffen. Da war es wahrlich kein Wunder, daß der Pokalsieger West am Ende TuSEM Essen hieß. Die Essener gerieten während des ganzen Spiels nie in einen bedrohlichen Rückstand. Nur einmal, beim Stand von 19:15, drei Minuten vor Schluß, vergab Markus Hönnige freistehend gegen das Torwart-Phantom Stefan Hecker. Das 20:15 hätte gereicht für den TVN. So hieß es am Ende 20:17 und die Essener hatten nach ihrem Desaster in Banja Luka (Niederlage im Europacup-Halbfinale) Grund zur kurzen Freude.
Denn morgen bereits geht es weiter in der heimischen Gruga-Halle gegen Dormagen. Und daran denken die Essener mit Schrecken. Letztes Jahr war bereits in der ersten Runde Schluß für den damaligen Vorrundensieger. Gegen den Achten, TBV Lemgo. Rudi Hartz, der Bauunternehmer und Jörn-Uwe Lommel träumen derweil schon von der nächsten Saison, in der in Niederwürzbach wieder einmal alles, aber auch alles besser werden soll.
Tore: Niederwürzbach: Hartz 7, Havang, Rothenpieler je 5, Hochhaus 2, Simowski 1.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen