Es war einmal... Olympia: Palästina, zum ersten Mal
„Erster!“ Nur wenige Menschen können das behaupten. Majid abu Marahil kann. Er war der erste palästinensische Sportler der an den Olympischen Spielen teilnehmen durfte.
Selbst als Majid abu Marahil vor den Bomben fliehen musste, dachte er an dieses eine Paar Schuhe. Während das israelische Militär sein Viertel in Gaza unter Beschuss nahm, packte er seine Habseligkeiten zusammen und griff zu seinen alten Tennis-Sneakern. Längst platt gelaufen waren sie, durchlöchert und schmutzig, doch sie erinnerten ihn an den Tag, an dem er für seine Heimat Palästina in die Geschichtsbücher eingegangen war.
1996 war Majid abu Marahil ein Leibwächter Jassir Arafats in der Eliteeinheit „Force 17“ – und in diesen Schuhen war er die 10.000 Meter in Atlanta gelaufen. Als erster palästinensischer Sportler überhaupt durfte er an Olympischen Spielen teilnehmen, nachdem das IOC den Staat ein Jahr zuvor offiziell anerkannt hatte. Geld für Laufschuhe oder einen Trainer hatte er nicht. Abu Marahil hatte bis kurz vor den Spielen noch nicht einmal eine richtige Tartanbahn gesehen.
Wie erwartet rannte er im Vorlauf nur als Letzter ins Ziel und lief fast acht Minuten langsamer als Sieger Haile Gebrselassie. Was blieb, war der Stolz: Mit von Freudentränen überströmtem Gesicht trug abu Marahil die palästinensische Flagge durch Atlantas Olympiastadion. „Mein Ziel ist nicht die Goldmedaille, sondern der Welt zu zeigen, dass Palästina existiert“, hatte er vor den Spielen gesagt.
Als Trainer will der mittlerweile 48-Jährige diesen Gedanken jetzt an Bahaa al-Farra und Woroud Sawalha weitergeben, die für Palästina in London starten. Und wenn al-Farra heute Abend am Start des 400-Meter-Vorlaufs steht, dann wird Majid abu Marahil an den 26. Juli 1996 denken und an das Rennen, mit dem er sich und Palästina in den olympischen Geschichtsbüchern verewigte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen