Es rumort im Sahel: Frankreich übergibt die nächste Militärbasis
Der Rückzug der französischen Armee aus Tschad ist fast komplett. Derweil erleidet die aufständische RSF-Miliz in Sudan eine schwere Niederlage.
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Tschad hatte die Ex-Kolonialmacht Frankreich, seit der Unabhängigkeit 1960 ununterbrochen militärisch präsent, Ende November 2024 völlig überraschend zum Komplettabzug aufgefordert und eine Frist bis Ende Januar 2025 gesetzt. Die beiden Präsidenten Emmanuel Macron und Mahamat Déby haben sich seitdem gegenseitig attackiert, Frankreichs Armeeminister Sébastien Lecornu stellte am vergangenen Mittwoch offen einen Umsturz in Tschad in den Raum: „Wenn wir jetzt gehen und uns morgen ein anderes Regime bittet zurückzukommen, was machen wir dann?“, sagte er in einem Radiointerview.
Logischerweise witterten manche ein Destabilisierungsmanöver aus Frankreich, als am Mittwochabend ein Kommando aus 24 Männern den Präsidentenpalast in Ndjamena angriff. Die Männer stiegen aus einem Lastwagen, überfielen die vier Gardesoldaten an der Einfahrt mit Messern, drangen auf das Gelände vor und wurden dann in Kämpfe verwickelt; am Ende waren 18 Angreifer und ein Soldat tot. Die Überlebenden wurden Journalisten vorgeführt; sie sollen auf Drogen gewesen sein und Whiskyflaschen dabeigehabt haben, dazu Stichwaffen, aber keine Schusswaffen. Außenminister Abderaman Koulamallah sprach von einer „verzweifelten“, „unverständlichen“ und „unseriösen“ Aktion.
Oppositionelle aber fragten sich, wieso dann mit schweren Waffen geschossen wurde. Es gibt Gerüchte über schwere Zerwürfnisse an Tschads Staatsspitze. Tschads Parlamentswahlen vom 29. Dezember haben den Eindruck von Unstimmigkeiten nicht ausgeräumt: nach den Ergebnissen vom Samstag holte die regierende MPS (Patriotische Heilsbewegung) nur 124 von 188 Sitzen, obwohl die wichtigste Opposition die Wahl boykottierte.
Tschad gilt als Transitland für die Aufrüstung der RSF
Tschad steht international in der Kritik, weil es als Transitland für Waffen an die aufständische Miliz RSF (Rapid Support Forces) im benachbarten Sudan gilt. Mindestens 85 Waffenflüge aus den Vereinigten Arabischen Emiraten sollen nach UN-Erkenntnissen seit Ausbruch des Krieges in Sudan im April 2023 auf dem kleinen Flughafen Amdjarass im Osten Tschads nahe Sudans Grenze gelandet sein; die Emirate sprechen von humanitärer Hilfe.
Die Emirate gewährten Tschad bei einem Besuch von Staatschef Déby in Abu Dhabi im Juni 2023 einen Kredit von 1,5 Milliarden US-Dollar und schlossen ein Verteidigungsabkommen. Abu Dhabi beherbergt auch eine französische Militärbasis mit 250 Soldaten. Eine Woche vor der Übergabe der französischen Luftwaffenbasis Faya-Largeau in Tschad an Tschads Armee wurde dort die Landung eines russischen Flugzeuges mit mutmaßlichen Waffenlieferungen an die RSF gemeldet.
Angesichts zunehmender Kritik an der RSF-Miliz, der die US-Regierung vergangene Woche Völkermord vorgeworfen hat, dürfte Tschad jetzt ein Interesse daran haben, sich zu rehabilitieren. Die RSF erscheint isoliert. Am Wochenende eroberte Sudans Regierungsarmee die seit Dezember 2023 von der RSF kontrollierte Stadt Wad Madani am Nil – der größte Rückschlag der RSF seit mehreren Monaten. Die Regierung gibt sich jetzt zuversichtlich, auch in restlichen Gebieten am Nil die RSF vertreiben zu können, auch aus der Hauptstadt Khartum. Dann wäre die Miliz auf die Region Darfur an der tschadischen Grenze zurückgeworfen.
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