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BewegungsmelderEs besteht Handlungsbedarf

■ Von Annette Rollmann

Eigentlich sind Journalisten unterschiedlicher Medien erst einmal Konkurrenten. War ja schwarz auf weiß in der letzten Wochenendausgabe dieser Zeitung vielfach nachzulesen, nachdem sich ehemalige tazler, die nun in alle Winde des Blätterwalds zerstreut sind, trafen, um noch einmal eine gemeinsame Nummer zu machen. Aber Sie, Herr Schwierczinski und Herr Rehberg, haben es geschafft, unserer Zunft eine amüsante Stunde zu bereiten, einen gelungenen Einstand in der Hauptstadt. Auf die Stunde mit Ihnen werden wir, die Vertreter der Medien, im Schulterschluß noch gerne und lange zurückblicken.

Auf Ihrer Pressekonferenz, dem Verband der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden im Deutschen Beamtenbund, wo Sie uns Ihre Ankunft in Berlin mitgeteilt haben, haben Sie uns ja recht anschaulich in das traurige Leben von Beamten, die vom Regierungsumzug betroffen sind, eingeführt. Ja, also man müsse sich das mal vorstellen, die Beamten müssen umziehen, sich eine neue Wohnung suchen, eine angemessene Schule für ihre Sprößlinge finden, und da muß man ja in Berlin schon sehr genau schauen, diese Unbilden! Und in Ihrem adretten dunklen Anzug erklärten Sie uns, daß es nur recht und billig sei, daß diejenigen, die nicht umziehen wollen und auf Staatskosten hin- und herpendeln, einen monatlichen Zuschuß bis zu 1.000 Mark für ihre Zweitwohnung bekämen. Irgendwie dachten wir uns, die Vertreter der Medien, die beruflich notorisch umziehen und pendeln müssen, daß wir etwas falsch gemacht haben. Irgendwie haben wir noch nie 1.000 Mark Wohnungszuschuß bekommen. Komisch.

Aber gut, wir wollen ja gar nicht so sein. Vielleicht gefällt es den Beamten ja auch in Berlin, und es kommt alles ins rechte Lot. Dafür wollen Sie ja sorgen, haben Sie uns auf der Pressekonferenz gesagt, und hatten auch ein durchaus berechtigtes Anliegen formuliert. Nämlich, daß es nicht von der Zufälligkeit des Standortes eines Ministeriums in Berlin abhängen soll, ob die Beschäftigten jeweils Ost- oder Westgehalt erhalten. Und Sie, Herr Schwierczinski, hatten das ja auch ganz pfiffig in der Formulierung zusammengefaßt, „die, die eineinhalb Stunden mehr arbeiten, bekommen 13,5 Prozent weniger als die, die weniger arbeiten“. Das, Herr Schwierczinski, finden auch wir nicht richtig, und es besteht, wie man so schön sagt, Handlungsbedarf. Angleichung der Löhne in den obersten 76 Berliner Bundesbehörden, egal, ob die Beamten westlich oder östlich des Brandenburger Tores arbeiten oder aus dem Osten oder Westen stammen.

Aber Herr Schwierczinski und auch Herr Rehberg, wie konnte Ihnen dann nur so etwas passieren? Sie konnten gar keine Zahl nennen, wie viele Menschen überhaupt von dieser Ungerechtigkeit betroffen sind. Herrje, auch kein ungefähres Finanzvolumen konnten Sie beziffern. Erst als die Pressekonferenz schon, man muß es wirklich leider offen aussprechen, peinliche Züge annahm, und Sie, Herr Rehberg, schon puterrot anliefen (wir verstehen das selbstverständlich, das wäre uns auch so gegangen), haben Sie, Herr Schwierczinski, dann doch eine Zahl genannt: Mehrere tausend. Wir waren zwar im Mathematikunterricht nie besonders gut, aber soviel haben wir dann doch verstanden, eine Zahl ist das nicht.

Da waren Sie dann erst richtig im Dilemma. Sie haben uns gehört: Gelacht haben wir. Na ja, dann wollten Sie plötzlich alles wieder gutmachen, und hurtig sagten Sie schließlich, es gehe um 4.000 bis 5.000 Betroffene. Nur, Herr Schwierczinski, Hand aufs Herz, hoffentlich haben Sie sich die Zahl nicht plötzlich einfach nur so, na, Sie verstehen schon. Hoffentlich sind Sie so gut im Kopfrechnen, daß Sie, obwohl Sie grade noch keine Zahl parat hatten, diese dann trotzdem, wie sich das für Beamte und ihre Interessenvertreter gehört, auf solider Grundlage ermittelt haben.

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