: Erwartete Nebenwirkungen
Doppelpaß: CDU-Stimmensammlung in Rahlstedt provoziert Verhaftungen, Volkes Stimme und Grüße von Rechtsextremen ■ Von Heike Dierbach
So hatten sich die Konservativen ihre Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft und die „offene Debatte“ nicht vorgestellt: Kurz nachdem die Junge Union (JU) Wandsbek am Sonnabend vormittag ihren Stand vor dem Einkaufszentrum Rahlstedt eingerichtet hatte, blockierten 15 bis 20 jugendliche AntifaschistInnen den Tisch und zerrissen Unterschriftenlisten. Bei Handgreiflichkeiten mit JUlern und sich einmischenden Bürgern, so die Antifaschistische Gruppe Hamburg (AGH), fielen der Tisch und ein Schirm um.
Anwesende Zivilpolizisten griffen ein und überwältigten vier Frauen und zwei Männer. Nach Angaben der Roten Hilfe e.V. schlug ein CDU-Anhänger einer der Frauen mit der Faust ins Gesicht, während zwei Beamte sie festhielten. Die Festgenommenen wurden bis zum Abend in Gewahrsam gehalten und erkennungsdienstlich behandelt. Ihnen drohen Ermittlungsverfahren unter anderem wegen Landfriedensbruch, Körperverletzung und Sachbeschädigung.
„Mit der Unterschriftenaktion hat die CDU die Grenze der freien Meinungsäußerung überschritten“, erklärte eine AGH-Sprecherin das Motiv der Aktion gegenüber der taz hamburg: „Rassistischer Hetze darf man keinen öffentlichen Raum geben.“ Allerdings, so die Sprecherin weiter, gehe es bei der bundesweiten Mobilisierung gegen die CDU-Aktion nicht um die Verteidigung der Bonner Gesetzesvorlage von SPD und Grünen, die „nur einen kleinen privilegierten Teil“ der AusländerInnen integriere.
Als Unterstützung ihrer Politik haben die SozialdemokratInnen die Aktion der AntifaschistInnen ohnehin nicht verstanden: Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Wandsbek, Jan Riecken, verurteilte „Gewalt als Form der Auseinandersetzung“. „Dessen ungeachtet“ lehne er aber auch die Unterschriftenaktion weiter ab.
Diese hatte die JU am Sonnabend unter Polizeischutz fortgesetzt und in zwei Stunden über 800 Unterschriften von überwiegend älteren PassantInnen gesammelt. „Wichtig war uns aber vor allem das Gespräch mit den Leuten“, betont JU-Vorsitzender Thorsten Kausch. Aufgebrachte BürgerInnen konnten so den PolitikerInnen und der versammelten Presse erklären, warum ihrer Meinung nach „in Deutschland schon viel zu viele Ausländer leben“ und „wir schon genug Ganoven haben“. Ein Rentner befürchtete den „Untergang Deutschlands“, ein anderer „Rassenunruhen wie in den USA“.
Dirk Fischer dagegen will in Rahlstedt keine ausländerfeindlichen Aussagen gehört haben, „und wenn einige übers Ziel hinausschießen, gehört das nun mal zu einer Demokratie“, so der CDU-Landeschef. Er räumte zwar die Gefahr einer möglichen Polarisierung der Gesellschaft durch die Aktion ein, aber: „Schließlich durften die Atomkraftgegner auch Unterschriften sammeln.“
Das rechtsextreme „Nationale und Soziale Aktionsbündnis Norddeutschland“ hieß gestern in einer Pressemitteilung die Union „willkommen im Club“ und äußerte sich zufrieden darüber, daß nun auch CDU-Politiker den „wirklichen politischen Kampf“ aufnehmen – „wie wir als politische Soldaten ihn längst kennen“.
Für das kommende Wochenende plant die CDU weitere Stände in Wandsbek, Winterhude und Langenhorn.
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