Porträt: Erster SPDler kommt aus dem Quark
■ Wolfgang Grotheer
Die Richterrobe von Wolfgang Grotheer hängt gut sichtbar an einem Schrank im Arbeitszimmer im Landgericht. Über seine Arbeit, die Rechtsprechung, redet der 48jährige, der jetzt Bundestagsabgeordneter für Bremen werden will, am liebsten: Wie er in den frühen 90ern für zwei Jahre am Gericht in Rostock arbeitete (“die spannendste Phase meiner beruflichen Karriere“). Warum er nach Bremen zurückkam (“ich bin Bremer“). Daß er sich auf Handelssachen und Verbraucherschutz spezialisiert hat (“es geht meistens um Geld“). Mit Inbrunst versucht er klarzumachen: „Mein Beruf macht mir Spaß“. Man glaubt ihm.
Am zweitliebsten erzählt Grotheer von seiner Partei, der SPD. Wenn er über sie redet, kommt er selten ins Stocken. „Ich finde – ganz unbescheiden – daß ich einen Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit leisten könnte, in Bonn.“Mit einer Großen Koalition, so glaubt Grotheer, „würde man mehr soziale Gerechtigkeit nicht erreichen.“Bei den Themen Lauschangriff, Kanzlerkandidat oder Atomtransporte über Bremer Häfen, läßt der Jurist sich nicht zu einer ähnlich klaren Aussage hinreißen.
Jetzt muß er nur noch gewählt werden, im Wahlkreis 50. Als erster der SPD-Kandidaten kam er aus dem Quark und machte seine Ambitionen öffentlich.
Sein innerparteilicher Gegner, Volker Kröning, gilt als konservativer Sozialdemokrat. Wolfgang Grotheer rechnet sich zum mitte-links Spektrum der SPD. Deshalb hofft er auf die Erststimmen der Grünen: „Die brauchen wir auch.“Denn noch nie sei irgendjemand aus dem Wahlkreis über die Landesliste in den Bundestag gerutscht.
Über den Mensch Wolfgang Grotheer redet Wolfgang Grotheer mit Journalisten ungern. Wenn er im Bundestag wäre, wolle er seine Privatsphäre verteidigen, sagt er. Daran, daß seine Ex-Frau mal Pressesprecherin von Finanzsenator Volker Kröning war, erinnert er schon, bevor man auf dem Stuhl sitzt. Wind aus den Segeln nehmen. Daß er eine Tochter hat, die gerade im Amtsgericht gegenüber ihr Referendariat macht, erzählt er auf Anfrage. Daß er mit seiner zweiten Frau, die fast zwanzig Jahre jünger ist als er, gut auskommt, erzählt er mit knappen, aber weichen Sätzen. "Privat geht es mir rundum richtig gut.“Sonst hätte er auch nicht die Kraft zu kandidieren, sagt er.
Grotheer ist bekannt in der Bremer Polit-Szene, aber in der allerersten Reihe stand er nie. Seit 1971 in der SPD, gehört er schon lange zum „inner circle“der Bremer Sozialdemokraten, machte Parteikarriere wie im Bilderbuch. Von den Jusos zum Ortsvereinsvorsitzenden zum Vorsitzenden der „Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen und Juristinnen“zum Vorsitzenden des Unterbezirkes Stadt. Doch bei der Wahl zum Landesvorsitzenden unterlag er 1995 gegen Detlev Albers. „Man muß sich auch der Tatsache stellen, daß man nie von allen geliebt wird“, sagt Aspirant Grotheer. Christoph Dowe
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