: Erste Schritte zum Dialog
In Botswana sollten gestern zum ersten Mal alle politischen Kräfte des zerrissenen Kongo an einen Tisch gebracht werden. Jetzt können sie miteinander streiten
BERLIN taz ■ Zum ersten Mal seit Beginn des Krieges in der Demokratischen Republik Kongo vor drei Jahren sollten gestern alle bewaffneten und zivilen politischen Kräfte zusammenkommen, um einen Dialog vorzubereiten. Das Treffen in Botswanas Hauptstadt Gaborone, das bis Freitag dauern soll, wird von Botswanas Expräsident Ketumile Masire als internationaler Kongo-Vermittler geleitet. Der „innerkongolesische Dialog“, für den dies eine Vorbereitungsrunde sein soll, ist die innenpolitische Komponente des von der UNO überwachten Friedensprozesses, parallel zum Abzug der ausländischen Armeen. Am Ende soll er, so Belgiens Premier Guy Verhofstadt, „die notwendigen Bedingungen zur Versöhnung der Kongolesen und zur Wiedergeburt des Landes schaffen“.
Die Praxis sieht, wie meistens im Kongo, schwieriger aus. Das Treffen in Gaborone ist noch gar nicht der Dialog selber, sondern soll lediglich dafür „ein Datum, einen Ort, eine Tagesordnung und prozedurale Regeln“ festlegen, so Masire. Für Kongos Politiker ist die fünftägige Konferenz also die wesentliche Hürde für das Einbringen ihrer Vorstellungen in den Friedensprozess. Wer jetzt nicht in Gaborone sitzt, hat bis auf Weiteres im Kongo nichts mehr zu sagen.
Es verwundert also nicht, dass kaum ein Thema in den letzten Wochen im Kongo so kontrovers diskutiert wurde wie die Besetzung der mittlerweile 69 Plätze bei dem Treffen, deren Gesamtzahl und Aufteilung immer wieder verändert wurde. Nach neuesten Angaben verteilen sich die Sitze jetzt so: 13 für die Regierung unter Präsident Joseph Kabila; 13 für die von Ruanda unterstützte Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie); 13 für die von Uganda unterstützte MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung); vier für die RCD-ML (Kongolesische Sammlung für Demokratie/Befreiungsbewegung), eine Uganda-treue Abspaltung der RCD; 13 für zivile Oppositionsparteien; und 13 für zivilgesellschaftliche Organisationen.
Da aus Regierungssicht die zivile Opposition unter einer Decke mit den Rebellen steht, haben Kabilas Gegner in Gaborone eine Mehrheit, wenngleich Einigkeit unter ihnen nicht zu erwarten ist. Die Regierung ist darüber wenig empört. In Kinshasa wird spekuliert, Kabila nehme die für ihn nachteilige Konstellation bewusst hin, um nach einem eventuellen Scheitern dieser Vorgespräche einen Grund für eine neue Kriegsrunde zu haben. Andere denken, der Präsident wolle sich bewusst von den Hardlinern in seinem Umfeld lösen und unter dem Eindruck einer fehlenden Mehrheit in Gaborone politische Konzessionen machen, um nach dem Rückzug aller ausländischen Armeen als allseits anerkannter Übergangspräsident im Amt zu bleiben.
Erst einmal ist jede Menge Streit zu erwarten. Handfesten Zwist gab es bereits am Sonntag auf Ugandas internationalem Flughafen Entebbe, wo sämtliche Delegationen der Rebellengebiete zusammen in ein Flugzeug nach Gaborone gesteckt werden sollten. MLC-Führer Jean-Pierre Bemba versuchte vergeblich, seine Rivalen aus der RCD-ML am Einsteigen zu hindern. Auch unter den Parteien aus Kinshasa gibt es Streit. Die ehemalige Staatspartei des toten zairischen Diktators Mobutu MPR ist in drei Flügel zerfallen, von denen nur einer nach Gaborone fährt; ähnliche Verhältnisse herrschen in anderen Gruppierungen.
Gar nicht vertreten auf der Konferenz sind die regierungstreuen Milizen im Rebellengebiet, die „Mayi-Mayi“. Sie haben bereits angekündigt, ihren bewaffneten Kampf auszuweiten, und hoffen auf Zulauf frustrierter Politiker. Dann könnten sie einen nationalen Befreiungskampf gegen einen von außen aufgezwungenen Frieden ausrufen. DOMINIC JOHNSON
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