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Frankreichs Premier überlebt

Frankreichs linke Opposition wollte Barnier per Misstrauensantrag stürzen. Das ist gescheitert

Aus Paris Rudolf Balmer

Ein von der linken Neuen Volksfront (NFP) eingereichter Misstrauensantrag im Parlament gegen die neue französische Regierung hat am Dienstagabend die Stimmen von lediglich 197 Abgeordneten erhalten. Die übrigen der 577 Mitglieder der französischen Nationalversammlung enthielten sich. Der erste Versuch, die neue Regierung unter Premierminister Michel Barnier von den konservativen Republikanern (LR) nach nur wenigen Tagen zu stürzen, gilt damit als gescheitert. Mindestens 289 Abgeordnete hätten für den Misstrauensantrag stimmen müssen.

Die rechte Opposition – Marine Le Pens Rassemblement National und die Rechtskonservativen von Eric Ciotti – hatten angekündigt, dass sie Barnier unter gewissen Bedingungen zunächst eine Chance geben würden. Sie nahmen wie die Abgeordneten der Regierungskoalition aus Macronisten und Republikanern nicht an der Abstimmung teil.

Mit ihrem Antrag und der Vertrauensabstimmung wollte die linke Opposition noch einmal grundsätzlich beanstanden, dass Staatspräsident Emmanuel Macron nach den Wahlen vom Juli nicht den linken Block mit der Regierungsbildung beauftragt hatte. Dieser war als stärkste Kraft in die Nationalversammlung eingezogen. Stattdessen erhielt Michel Barnier den Zuschlag. Für die Linke stellt das eine Missachtung der Wahlergebnisse dar.

Der erfolglose Antrag ist in gewisser Weise kontraproduktiv, denn er belegt, dass Barnier zumindest über eine passive Mehrheit verfügt, die bereit ist, ihn regieren zu lassen. Dass die extreme Rechte ein für die Regierung unverzichtbarer Bestandteil dieser schweigenden Mehrheit ist, wird von einem Teil der Macronisten als beschämend empfunden. Zwei ihrer Abgeordneten sind bereits aus der Fraktion ausgetreten, weil sie nicht akzeptieren wollen, dass ihre relativ schwache Regierung sich den Fortbestand mit Zugeständnissen bei den Rechtsnationalen und mit anderen politischen Verrenkungen erkaufen muss. Sie kritisieren vor allem den neuen Innenminister Bruno Retailleau, der mit seiner Sicherheitspolitik auf derselben Wellenlänge wie der RN ist.

Premierminister Barnier fühlt sich ungeachtet dessen legitimiert. Auf die Kritik von links antwortete er: „Niemand hier hat eine absolute Mehrheit. […]Und von den relativen Mehrheiten, die ich konstatiere, ist die relative Mehrheit, die unsere Regierung begleitet, die am wenigsten relative.“ Doch falls sich bei einem späteren Votum die Stimmen von links und ganz rechts gegen ihn zusammenschließen, sind seine Tage als Premier gezählt.

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