■ Erst stieg er, dann fiel, jetzt erholt er sich wieder: Der Euro ist eine richtige Mimose. Auch wenn nach Experten kein Grund zur Sorge besteht, verunsichern die Schwankungen die Bevölkerung Aus Brüssel Daniela Weingärtner: Die launische Währung
Stabilitätspapst Hans Tietmeyer brachte es auf den Punkt: „Klarheit kann von Fall zu Fall sogar wichtiger sein als der Inhalt“, sagte der scheidende Bundesbankpräsident zum Thema Euro bei seinem letzten Auftritt im Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten. Mit anderen Worten: Eine klare währungspolitische Grundlinie und gute Stimmung sind die beste Voraussetzung für einen stabilen Euro.
Das glaubt auch die Europäische Kommission. Dort ist eine ganze Abteilung damit beschäftigt, gute Stimmung für den Euro zu machen (siehe Interview). Am Mittwoch setzten die Kommissare ein weiteres Zeichen der Entschlossenheit: Drei Monate früher als geplant, im März 2002, soll die Umstellung auf Euro-Münzen und -Scheine in den Mitgliedsländern abgeschlossen sein.
Ernst Welteke, der Tietmeyer im September als Chef der Deutschen Bundesbank ablösen wird, sollte sich die Worte des Vorgängers ins Stammbuch schreiben. Diese Woche testete er eher unfreiwillig die Wirkung von zweideutigen Äußerungen zur Geldpolitik. In einem Interview malte Welteke die negativen Folgen eines zu starken Kursanstiegs aus: „Wir wollen keinen zu starken Außenwert des Euro, weil das unsere Exportwirtschaft wieder schwächen würde“, sagte Welteke.
Der Effekt war deutlich. Hatte der Euro am Abend zuvor, nach Tietmeyers positiver Einschätzung, bei 1,07 Dollar gelegen, rutschte er am Dienstag morgen unter 1,06 Dollar ab. Der Markt reagiere äußerst sensibel auf solche Äußerungen, sagte ein Devisenhändler in Frankfurt. Welteke habe vermutlich, ohne es beabsichtigt zu haben, seine eigenen Prophezeiungen wahr gemacht.
Tatsächlich hat ein schwacher Euro positive Effekte auf den Außenhandel. Europäische Produkte werden auf dem Dollarmarkt billiger. Gleichzeitig ändern sich die Preise innerhalb der Eurozone nicht. Das bedeutet: Für einen Arbeitnehmer, der sein Geld in der Exportwirtschaft verdient, bei BMW zum Beispiel, sichert der schwache Euro den Arbeitsplatz. Für ihn selbst aber wird es aber keineswegs teurer, einen BMW zu kaufen.
Fällt der Euro aber dramatisch, so werden die positiven Exporteffekte wieder aufgefressen. Alles was außerhalb der Eurozone gekauft werden muß – vor allem Energie – wird so teuer, daß es auf die Preise der in Euroland produzierten Waren durchschlägt. Inflation, steigende Zinsen, gebremstes Wachstum sind die Folge.
Das Fazit aus den ersten Monaten mit der neuen Währung muß lauten: Sie ist ein empfindliches Pflänzchen, eine Mimose, die übelnehmerisch auf unbedachte Äußerungen reagiert. Beim Tiefstand von 1,03 Dollar hatten sich die Finanzminister auf dem Kölner EU-Gipfel Anfang Juni eigentlich zur Zurückhaltung verpflichtet. Der Chef der Europäischen Zentralbank sollte als einziger die Kurssprünge der launischen Währung kommentieren dürfen.
Tatsächlich hat der Aufruf zu mehr Disziplin nichts genützt. Noch immer fühlen sich die Fachleute – ob aus Kreisen der Bundesbank, der Europäischen Zentralbank oder der Länderfinanzministerien – berufen, den Kursverlauf zu kommentieren. Je bedeutender der Kommentator, desto spektakulärer die Wirkung auf den Kurs. Hier zeigt sich ein weiteres Mal, daß der scheidende Bundesbankchef Tietmeyer ein kluger Beobachter ist: Die Feuerprobe für die neue Währung werde kommen, wenn Schocks von außen oder Veränderungen, die nur einen Teil des Währungsraums betreffen, verkraftet werden müßten, prophezeit er. Langfristig müsse die Währungsunion mit mehr politischer Integration in Europa untermauert werden. Mit anderen Worten: Ein europäischer Finanzminister würde gebraucht.
Eine klare währungspolitische Grundlinie und gute Stimmung sind die beste Voraussetzung für die Stabilität der gemeinsamen europäischen Währung
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