■ Contra Abriß: Erst mal die Leute fragen
In Häusern wohnen Menschen. Wenn sie schon länger dort leben, haben sie in der Nachbarschaft Freunde, wissen, in welchem Geschäft um die Ecke die Tomaten am besten sind und welcher Marktschreier vor der Haustüre ihnen am meisten auf die Nerven fällt. Sie streiten sich jahrelang mit denselben Ignoranten herum. Das nennt man „Zuhause“ – auch im Neuen Kreuzberger Zentrum. Egal, ob der Kasten als städtebauliche Sünde oder lästige Normalität empfunden wird.
Jetzt aber wird die Bebauung rund ums Kottbusser Tor wieder einmal zum Abriß vorgeschlagen. Von CDU-Chef Klaus- Rüdiger Landowsky, der von „Ratten“, „beseitigen“ und jetzt eben von „Sprengung“ spricht, wenn eine Erscheinung sich dem Ideal von Wohlstand und Ordnung widersetzt. Das Kalkül: Türken, Obdachlose, Junkies und sichtbare Armut verschwinden, wenn der Ort drei Jahre lang zur Baustelle verkommt. Manch einer lernt eben nichts. Zu Beginn der 70er Jahre bereits regte sich Protest, als die damaligen Altbauten zugunsten des Zentrums wegsaniert wurden. Man hatte vergessen, die Leute in den Häusern zu fragen, wie sie leben wollen. Zehn Jahre später erreichte die Hausbesetzerbewegung, auch in der Umgebung des Kottbusser Tores, ihren Höhepunkt. Noch ist der Platz, wo Armut und Geld, Immigranten und Deutsche sich reiben und zunehmend aneinandergeraten, kein Pulverfaß. Aber es kann leicht zu einem werden. Hannes Koch
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