Martin Reeh über den Abwärtstrend der SPD: Erst Gerechtigkeit, dann Gerd
Noch sind es drei Monate bis zur Bundestagswahl. Aber wenn sich der Umfragetrend verfestigt, wird die SPD bei der dritten Wahl hintereinander mit einem Ergebnis um die 25 Prozent einlaufen. 2013 hatte sie einen rechten Spitzenkandidaten zum linken Programm, diesmal einen Spitzenkandidaten mit Zickzackkurs, der erst auf Rot-Rot-Grün und soziale Gerechtigkeit setzte und jetzt auf eine Koalition mit der FDP und mehr Wirtschaftsnähe.
Dabei wäre es klug gewesen, die SPD wäre in diesem Jahr bei ihrem ursprünglichen Kurs geblieben. Schon aus diesem Grund: Die Sozialdemokraten hätten anschließend gewusst, was sie mit einem linken Wahlkampf erreichen können. Bekommen sie jetzt im September 25 Prozent, dürften die Interpretationen beginnen: Lag es am rot-rot-grünen Beginn – oder am Mittekurs gegen Ende des Wahlkampfs? Oder an der mangelnden Geradlinigkeit der Partei und des Kandidaten? Und damit begännen erneut die Schwierigkeiten eines kohärenten SPD-Konzeptes für die Wahl 2021. Zwei Umfragen legen jetzt nahe, dass es zumindest nicht allein am rot-rot-grünen Kurs gelegen haben kann: Beim Umfrageinstitut Allensbach ist die SPD auf 24 Prozent abgestürzt. Das liege auch daran, dass eine SPD-geführte Regierung eher für Kontinuität als eine politische Wende stünde, schreibt Institutschefin Renate Köcher. Noch deutlicher ist eine gerade veröffentlichte YouGov-Analyse: Die SPD hat bei Frauen, Geringverdienern und Wahlberechtigten auf dem Land wieder an Zustimmung verloren. Die Wechsler zweifeln an der Lösungskompetenz der Partei und der Eignung des Kandidaten Schulz.
International legen die Beispiele Corbyn und Macron nahe, dass es vor allem darauf ankommt, einen einmal eingeschlagenen Kurs durchzuhalten, wenn der erste Gegenwind bläst. Dass es der SPD nun hilft, ihren Altkanzler Gerhard Schröder auf dem Dortmunder Parteitag am Sonntag sprechen zu lassen, darf man bezweifeln.
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