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Erst Auszeichnung, dann Abschiebung

Einst erhielt der kurdische Sprecher des Wanderkirchenasyls den Friedenspreis der Stadt Aachen. Jetzt soll er abgeschoben werden. Seit elf Tagen ist er im Hungerstreik. Der Stadtrat versucht, das Ausländeramt umzustimmen

AACHEN taz ■ Vor drei Wochen erhielt Hüseyin Calhan die Einladung, an einer Großveranstaltung gegen Rassismus auf dem Aachener Marktplatz teilzunehmen – ein Bündnis aus Stadt, Vereinen und Medien hatte dazu aufgerufen, auch der Oberbürgermeister stand auf der Rednerliste. Doch auf dem Weg zu der Veranstaltung geriet Calhan, Sprecher des Wanderkirchenasyls, in eine Routinekontrolle des Bundesgrenzschutzes. Seither sitzt der „Illegale“ im Bürener Abschiebegefängnis. Am Montag leitete das Ausländeramt Wesel die Abschiebung des Kurden ein, stornierte dann aber den Flug. Denn Calhan ist seit elf Tagen in Hungerstreik. Psychologen attestierten ihm Suizidgefahr und Posttraumatisierung. Der Anstaltsarzt aber erklärte ihn für transportfähig – ohne einen Dolmetscher hinzuzuziehen. Ein Skandal, findet Flüchtlingsbetreuer Markus Reissen und erwägt eine Klage wegen unterlassener Hilfeleistung.

1995 war Calhan aus der Türkei geflüchtet. Dort war er Repressalien ausgesetzt, weil er sich dem Militärdienst entziehen wollte. Nachdem zwei Asylanträge in Deutschland abgelehnt wurden, ging er ins Wanderkirchenasyl. Mehrere Gemeinden gewähren den „Illegalen“ Zuflucht. Hinter der Initiative, die 1999 den Aachener Friedenspreis erhalten hat, vermuten türkische Behörden die PKK. Eine Abschiebung Calhans käme einer „Auslieferung“ gleich, warnte eine Sprecherin der Evangelischen Kirche Büren.

Zwar sind die Härtefallkommission der Stadt und der Petitionsausschuss des Landtages eingeschaltet. Aber Proteste und Eilanträge auf erneute Prüfung des Asylantrages hatten bisher nur aufschiebende Wirkung.

Alles hängt nun von einem neuen Attest ab. Doch Innenministerium und Ausländerbehörde Wesel beharren darauf, dass die Rechtslage eindeutig sei, und wollen Calhan abschieben. Der Stadtrat hat sich bereit erklärt, den Fall vom Weseler Ausländeramt zu übernehmen.

Der Bundesgrenzschutz, der am kommenden Dienstag für eine reibungslose Abschiebung sorgen soll, hatte auf der Anti-Rassismus-Veranstaltung vor drei Wochen noch betont, dass er Flüchtlinge schütze – indem er Schlepperbanden das Handwerk lege. MICHAEL KLARMANN

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