Erschossener Student Eisenberg: "Kein Anlass" für eine Anklage
Das Verfahren gegen zwei Polizisten, die den Studenten Tennessee Eisenberg mit zwölf Kugeln erschossen haben, ist eingestellt. Die Beamten hätten in Notwehr gehandelt.
MÜNCHEN taz | Am 30. April wurde der Regensburger Musikstudent Tennessee Eisenberg (24) von der Polizei erschossen, tödlich getroffen von 12 Kugeln. Gestern hat die Regensburger Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen die Todesschützen überraschend eingestellt. Die Beamten, so heißt es in der offiziellen Erklärung, hätten "nicht rechtswidrig" gehandelt, da "der Einsatz der dienstlichen Schusswaffen durch die beschuldigten Polizeibeamten durch Nothilfe bzw. Notwehr geboten und damit gerechtfertigt war". Es ist eine Entscheidung, die empört.
"Ich war zuerst sprachlos", sagt Benedikt Schindler von der Initiative "12 Kugeln - 12 Fragen". Schindler hatte erst im November eine Demonstration organisiert, bei der eine unabhängige Aufklärung von Eisenbergs Tod gefordert wurde. "Spätestens nach einer Tatrekonstruktion vor wenigen Wochen waren wir davon ausgegangen, dass eine Anklage notwendig ist." Das sieht die Staatsanwaltschaft nun anders. Die Ergebnisse in über 1.200 Seiten Ermittlungsakten böten keinen "genügenden Anlass", die Polizisten anzuklagen, heißt es. Der Anwalt Helmut von Kietzell, er vertritt Tennessee Eisenbergs Vater, kündigt bereits eine Beschwerde beim zuständigen Generalstaatsanwalt an.
Der Anwalt meint, der Tathergang sei von der Staatsanwaltschaft in vielen Details falsch dargestellt worden. Noch immer besteht keine Einigkeit darüber, was genau am Vormittag des 30. Aprils in Regensburg geschah. Damals erhielt die Polizei einen Notruf von Eisenbergs Mitbewohner. Er sei von dem Musikstudenten mit einem Messer bedroht worden. Wenig später stehen drei Polizeibeamte in der Wohnung im ersten Stock und fordern Eisenberg auf, das Messer fallen zu lassen. Der reagiert nicht und bewegt sich auf die Polizisten zu. Die weichen zurück, die Treppe hinab und sprühen mit Reizgas. Eisenberg folgt ihnen. Im Treppenhaus warten fünf weitere Polizisten.
Fast alle Beamten weichen zur Haustür zurück, bis auf einen. Er bleibt in einer Ecke stehen. Laut Bericht des Staatsanwalts bewegt sich Eisenberg auf ihn zu. Die Polizisten schießen. Eine Kugel durchschlägt Eisenbergs Knie. Er sei dennoch weiter auf den Polizisten zugegangen, schreibt der Staatsanwalt. Wenig später traf eine Kugel Eisenbergs Herz. Er starb. "Das ist objektiv erwiesen falsch", sagt der Anwalt Hemut von Kietzell. "Aufgrund der Beweislage kann sich Eisenberg nicht in Bewegung gesetzt haben." Eisenberg habe auch mit dem Messer nicht gedroht, sondern es lange Zeit hinter seinem Rücken gehalten. "Es wurde allein der Ungehorsam, das Messer wegzuwerfen, mit dem Tode bestraft", meint der Anwalt.
"Herr Eisenberg hätte den Beamten problemlos sofort mit dem Messer erreichen können", meint der Staatsanwalt. Er konnte nicht, findet von Kietzell. Eisenberg sei zu diesem Zeitpunkt bereits zu schwer verletzt gewesen. Wegen der psychischen Ausnahmesituation Eisenbergs müsse das Notwehrrecht in diesem Fall eingeschränkt werden, sagt der Anwalt. Der Staatsanwalt will keine Schuldunfähigkeit Eisenbergs erkennen.
Warum Eisenberg seinen Mitbewohner bedrohte und den Polizisten nicht folgte, kann der Bericht nicht beantworten. Es habe in den Tagen vor seinem Tod "Änderungen im psychischen Befinden" Eisenbergs gegeben, so die Staatsanwaltschaft. Als Begründung führt sie an, Eisenberg habe sich überlegt, auf eine Schauspielschule zu wechseln. Anwalt von Kietzell sagt, er wisse nicht, was Eisenbergs Verhalten ausgelöst hat. "Das ist eine Frage, die von einem Gericht beklärt werden müsste." Die Anwälte haben zwei Wochen Zeit, ihre Beschwerde einzureichen.
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