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Erschossener Flüchtling in BerlinMehrere Aufforderungen ignoriert

Der getötete Iraker soll versucht haben, einen Versuch sexuellen Missbrauchs an seiner Tochter zu rächen. Daraufhin schossen gleich drei Beamte auf ihn.

Tatort: Notunterkunft in Moabit Foto: dpa

Berlin taz | Wie Raumschiffe stehen die weißen Traglufthallen im Grün des Fritz-Schloß-Parkes. Flüchtlinge aus aller Welt leben in der Unterkunft unweit des Berliner Hauptbahnhofs. Am Dienstagabend haben sich dort dramatische Ereignisse abgespielt. Ein aus Pakistan kommender Bewohner soll in dem Park versucht haben, eine sechsjährige Irakerin sexuell zu missbrauchen. Herbeigerufene Polizisten nahmen den Tatverdächtigen fest und erschossen kurz darauf den Vater des Mädchens. Der war mit einem Messer auf den Pakistaner losgestürmt.

Der 27-jährige Pakistaner saß zum Zeitpunkt des versuchten Messerangriffs bereits im Polizeifahrzeug. Die hintere Tür des Wagens stand nach taz-Informationen offen, Polizisten standen drumherum. In diesem Moment, so die Pressemitteilung der Polizei, sei der 29-jähriger Iraker mit einem Messer in der Hand aus der Unterkunft auf den Mann im Fahrzeug zugestürmt. „Er ignorierte mehrmalige Aufforderungen, stehen zu bleiben, woraufhin mehrere Polizisten auf den Angreifer schossen.“ Der 29-jährige, Vater des Mädchens, starb wenig später im Krankenhaus.

Nach Informationen der taz war die Polizei am Dienstag gegen 20.35 Uhr von Bewohnern der Flüchtlingsunterkunft und Sprachmittlern zu der Traglufthalle gerufen worden. Kurz zuvor, so hieß es, hätten Heimbewohner in dem angrenzenden Park den später Festgenommenen bei Handlungen beobachtet, die auf einen versuchten sexuellen Missbrauch der Sechsjährigen hingedeutet haben sollen. Die Vorwürfe seien relativ substantiiert, sagte der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, am Mittwoch.

Die tödlichen Schüsse fielen gegen 21.40 Uhr, abgegeben von vermutlich drei Beamten. Die Polizei war mit mehreren Mannschaftswagen vor Ort. Nach ihrer Ankunft hätten die Beamten zunächst Zeugen zu dem Missbrauchsvorwurf befragt, erfuhr die taz. Dann sei der Tatverdächtige in der Unterkunft festgenommen und in Handfesseln abgeführt worden. „Das wirst du nicht überleben“, soll der Vater des Mädchens gerufen haben, als er mit dem Messer aus der Unterkunft gerannt kam.

Wie nah der Iraker zum Zeitpunkt der Schussabgabe am Fahrzeug und den Beamten war, ließ sich am Mittwoch nicht in Erfahrung bringen. Die Ereignisse hätten sich „im unmittelbaren Nahbereich“ der Tür abgespielt, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Der genaue Hergang sowie der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs der Sechsjährigen sind nun Gegenstand der Ermittlungen, die von einer Mordkommission und einem Fachkommissariat für Sexualdelikte des Landeskriminalamts geführt werden.

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4 Kommentare

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  • Erschreckend das nicht nur in Amerika, sondern auch hier, Polizisten die auch nur Menschen sind, tödliche Waffen in die Hände bekommen ohne wirklich damit umgehen zu können. Oder wie ist es zu erklären das drei Männer von denen zwei den Mann, aus ein paar metern entfernung, gar nicht treffen dafür der dritte gleich tödlich. Und wo fliegen die Geschosse die danebengingen dann noch hin?

  • In Pakistan haette sich die Polizei nicht "eingemischt" und die Selbstjustiz waere "erfolgreich" gewesen. Andere Laender, andere Sitten. Das beachtet man im Affekt nicht so leicht. - Ich weiss, worueber ich schreibe, ich lebe seit vielen Jahren in einem anderen Kulturkreis ausserhalb von Europa.

  • Mit tut das kleine Mädchen leid. Es muss nun nicht nur die Flucht samt Folgen und den Missbrauchsversuch verarbeiten, sondern auch noch den Verlust des Vaters. So weit, finde ich, darf der Versucht, Hilfe zu leisten bzw. Gerechtigkeit walten zu lassen, nicht gehen.

     

    Als Polizist muss man damit rechnen, in gefährliche Situationen zu geraten. Dafür wird man eigentlich speziell geschult. Dass drei Leute gleichzeitig "die Nerven verloren" haben sollen angesichts des wütenden Vaters, will mir einfach nicht in den Kopf.

  • 3G
    36120 (Profil gelöscht)

    Früher trug die Polizei mal Gummiknüppel bei sich. Damit könnten solche Messerattacken abgewehrt werden, ohne daß man den Angreifer gleich ins Jenseits befördern muß.