: Ersatzdrogen: Wochenendausgabe ist gesichert
■ Konflikt zwischen Senat und Vereinigung der Kassenärzte beigelegt
Auch künftig bleibt am Wochenende die Versorgung von Drogenabhängigen mit Polamidon gesichert. Damit sei der Konflikt zwischen Senat und Kassenärztlicher Vereinigung (KV) entschärft, sagte Elfriede Koller, die Drogenbeauftragte des Senators für Jugend und Gesundheit. Vorausgegangen war eine Drohung der Kassenärztlichen Vereinigung, im Januar 1994 die Polamidonvergabe in Erste-Hilfe-Einrichtungen einzustellen. Derzeit werden rund 600, überwiegend HIV-infizierte Heroinabhängige an den Wochenenden in Erste-Hilfe-Stellen mit Polamidon versorgt. Da das Ersatzopiat nach den Richtlinien des Betäubungsmittelgesetzes nur tageweise verabreicht werden darf und Vorratsrationen nicht ausgegeben werden dürfen, mußten an den Wochenenden statt der behandelnden Ärzte die Notfall-Stationen in der Brüsseler Straße im Wedding, der Graefestraße in Kreuzberg und in der Albrecht- Achilles-Straße in Charlottenburg die Vergabe übernehmen. Insbesondere in der Albrecht-Achilles- Straße war es häufig zu Streitigkeiten bis hin zu Raufhändeln zwischen Notfallpatienten und Junkies gekommen. Deshalb hatte der KV-Vorstand darauf verwiesen, daß die Erste-Hilfe-Stationen vorwiegend zur Versorgung von Verletzten eingerichtet worden seien und daß die zusätzliche Versorgung der Süchtigen dort die Behandlung der übrigen Patienten in Frage stelle.
Der Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung stellte gegenüber der taz klar, daß man die Substitutionsbehandlungen fortführen wolle und sogar deren Ausbau befürworte. Er kritisierte eine „Panikmache“. Indirekt bezog er sich dabei auf eine Stellungnahme des Jugendsenators Thomas Krüger (SPD). Dieser hatte den Beschluß der KV als „unerträglich“ gerügt und von einer „Nacht-und- Nebel-Aktion“ gesprochen, die eine kontrollierte Vergabe der Ersatzdroge außerhalb der üblichen Praxissprechzeiten „faktisch unmöglich“ mache.
Inzwischen sucht die Drogenbeauftragte gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung nach besseren Alternativen. Möglicherweise kann die Substitutionsbehandlung an den Wochenenden zukünftig sogar in den Räumen der KV in der Bismarckstraße durchgeführt werden. Als weitere Alternative böten sich auch Räumlichkeiten im Bezirk Schöneberg an.
Als „Dreistigkeit“ bezeichnete indes Gerd Wüst, Sprecher der Berliner Aids-Hilfe, die Äußerungen des Senators Krüger. Er stelle keine ausreichenden Mittel für eine psychosoziale Betreuung der meist schwerkranken Substituierten bereit, rege sich dann aber über die Konsequenzen auf, die sich aus den unschönen Reaktionen der Junkies ergäben. Peter Lerch
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