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Erprobte Besetzungsblaupause

■ Anthrax, seit Jahren eine der stabilsten Größen im Rock, verursacht mit dem neuen Album eine leichte Ratlosigkeit

In den späten 80er Jahren entwickelten sich die fünf New Yorker Speed-Metaller von Anthrax zu den sympathischsten, comicmäßigsten Vertretern ihres Genres. Mit zwei mordsmäßig aufgedrehten, aufs beschleunigte Tonnenriff konzentrierten Gitarren, einem Mitläufer-Baß und einem „Auf-die-eins-Snare-Schlagzeug“ hielt sich die Gruppe an die erprobte Besetzungsblaupause ihres Genres.

Am aufmerksamsten für den Rest der Welt schienen Anthrax, als sie das HipHop-Stück „I'm The Man“ mit lustiger Grandezza schrieben und nonchalant bei Konzerten spielten. Eine wunderbar zusammengeraufte Version von Public Enemy's „Bring The Noise“ folgte etwas später. Anthrax konnte man mögen, auch wenn ihnen anzumerken war, daß ihnen eine recht rockmäßige Begeisterung für die Musik eines Stücks allemal mehr wert war, als sich den sogenannten „Inhalten“ verbunden zu fühlen.

Ohne bei Songs von mehr zu ahnen als von der Musik, bewiesen Anthrax im Auftreten und bei der Wahl ihrer Coverversionen einen einigermaßen feinen Geschmack. Es handelte sich um Leute, denen unterstellt worden war, bei jedem komplizierten Gedankengang auf dem Fuß einen Brüllwitz zu reißen, einfach, weil sie sich so auf die Folter gespannt fühlen. Diese Leute, denen nicht anzusehen war, wie sie das anstellten, „machten es richtig“.

„Es“ meinte immer den Punkt, wo jemand etwas ignoriert, was alle anderen in ihre Überlegungen „zur Lage“ einbeziehen mußten, weil es unübersehbar geworden ist. Wenn jemand diesen Punkt ignoriert, hat er sich als Wolkenkuckucksheimbewohner ausgewiesen und fällt aus der Diskussion. Anthrax fielen auf die schlumpfigste Art nicht.

Seit einigen Jahren aber ist der Ernst eingekehrt, den Besetzungswechsel, neu hereinbrechende Stürme von Sinnfragen „and Stuff“ mit sich bringen können. Die Haare und die Bärtchen sind längst ab, der Gesamtklang ist gehörig aufgemotzt. Bei neueren Stücken klingt die Band, als sei die „Sonne von Austerlitz“ (ein von Napoleon vergebener Name für eine Entscheidungsschlacht unter Entscheidungsträgern) über ihr aufgegangen. Ab und zu riecht es allerdings zwischen zwei Chorussen nach Pearl Jam. Vor dem Konzert herrscht ein bißchen Ratlosigkeit, über die die neue Platte Stomp 442 kaum hinweghilft.

Kristof Schreuf

Heute, 21 Uhr, Markthalle

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