Eröffnung der Olympischen Spiele: Schrei nach Anerkennung
Der Gastgeber Russland präsentiert sich als moderne und feingeistige Nation. Bei aller Begeisterung ist die bisweilen wenig subtile Propaganda jedoch störend.
SOTSCHI taz | Es war eine irre Auswahl. Die erste Frau im All, ehemalige Spitzensportler, ein Computerspielprofi natürlich, ein Film-Regisseur von Weltruf, der Leiter des vielleicht berühmtesten Theaters in Russland haben die Olympische Flagge ins Stadion von Sotschi getragen.
Der kurze Marsch zum Fahnenmast fasste noch einmal die Show zusammen, mit der sich Russland als Gastgeber der olympischen Winterspiele der Welt präsentiert hat. Es war eine gewagte Performance, die bisweilen erschreckend laut und an anderen Stellen richtiggehend feingeistig war. Da hat sich eine Kulturnation präsentiert. Es wirkte wie ein Schrei nach Anerkennung. Und wahrscheinlich wäre es gar nicht schlecht, wenn er auch gehört würde. Wir können auch anders, wollten die Russen mit ihrer Kultur und Wissenschaftsschau sagen.
Wir würden es ihnen gerne glauben. Wenn nicht ausgerechnet Konstantin Ernst die Regie übernommen hätte, dann hätte man der Show sicher ein bisschen weniger voreingenommen folgen können. Doch der Chef des staatseigenen TV-Senders Kanal 1 ist so etwas wie der Chefpropagandist von Staatspräsident Wladimir Putin und mithin ein wenig vertrauenserweckender Kulturschaffender.
Gewagt war es dennoch, was er auf die Riesenbühne des Stadions gestellt hat, in dem 2018 Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft ausgetragen werden, sehr gewagt. Wann wurde schon einmal klassisches Ballett in einer Fußballarena so gespielt, dass diese damit ausgefüllt war. Und wann hat es in einem Stadion bei der Eröffnung eines Sportevents ein Publikum gegeben, dass die leisen und getanzten Töne besonders geschätzt hat?
Neben albernem Design-Ballett wurde auch moderne Tanzkunst vorgeführt und bei den schwierigen Hebeübungen gab es prompt Zwischenapplaus. Was für ein Land, das so kulturbeflissene Sportfans in ein Stadion locken kann. Ein feiner Abend. So richtig laut war es nur einmal – als die russische Mannschaft einmarschiert ist. Da wurde die Musik ganz laut aufgedreht. Es war die Musik der russischen Show-Lesbenkombo „t.A.T.u.“. Ob das eine Botschaft war und wenn ja, welche, darüber wird noch lange diskutiert werden – gewiss.
Am Ende jedoch hat der Regisseur die ganze russische Geschichte von Iwan dem Schrecklichen über Peter den Großen, von Tolstois „Krieg und Frieden“, von der Avantgardkunst der 20er Jahre bis zu den revolutionären Aufbauzeiten so dargestellt, als wäre all dies nur geschehen, um die Gegenwart, die von Wladimir Putin gestaltet wird, vorzubereiten. Die ist in ganz harmlosen Gewand dahergekommen. Ohne Militär, ohne Stechschritt und die Hymne wurde von einem Mönchschor gesungen. Nur die Seele, die bei den Russen, wie es gerne gesagt und geschrieben wird, besonders tiefgründig sein soll, sie hatte eine Nebenrolle. Ljubow hieß die und war elf Jahre alt. Ljubow, deren Name zu Deutsch Liebe bedeutet, führte durch den Abend. Doch so richtig lieben wollte man das Land am Ende doch nicht. Schade eigentlich.
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