Eröffnung der Frankfurter Buchmesse: Dolmetschen zwischen den Systemen

Die Frankfurter Buchmesse rückt 2022 die Arbeit von Über­set­ze­r*in­nen in den Fokus. Gastland Spanien präsentiert sich bei der Eröffnung facettenreich.

Das spanische Königspaar steht neben Frank Walter Steinmeier und vor einer Bücherwand mit vielen Kameraleuten

Das spanische Königspaar kommt bei der Besichtigung des spanischen Pavillons auf der Buchmesse nicht so locker rüber Foto: Michael Probst/ap

Der bewegende Auftritt von Kim de l’Horizon bei der Verleihung des Deutschen Buchpreises stellte einen starken Auftakt dar für die diesjährige Frankfurter Buchmesse. Die Erwartungen an die Eröffnungsfeier waren dementsprechend hoch. Doch trotz oder vielleicht gerade wegen des royalen Besuchs vom spanischen Königspaar blieb die Stimmung förmlich.

„Translate. Transfer. Transform.“ Mit dem Motto der 74. Frankfurter Buchmesse steigt Mona Ameziane in die Moderation ein und ehrt sogleich jene, die an diesem Abend für die (Simultan-)Übersetzungen zuständig sind. Wie gut das klappt, lässt sich synchron zum Gesprochenen beobachten: Blickt man in die Gesichter derer, die Kopfhörer tragen, merkt man gleich, ob es gelingt, einen Witz oder eine Pointe so zu übersetzen, dass nicht nur das Gesprochene, sondern auch die Stimmung übertragen wird.

Als „kongeniale Leistung“ würdigt Jürgen Boos, Leiter der Frankfurter Buchmesse, die Übersetzungsarbeit. „Übersetzung als Transformation“, nennt es auch die Frankfurter Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg (Die Grünen) und hebt hervor, dass so neben dem Sprachlichen auch kulturelle Werte übermittelt werden können – essenziell für das Zusammenleben in einer modernen Gesellschaft.

Durch Eskandari-Grünberg rückt an diesem Abend, der so fern von den realen aktuellen Krisen scheint, das politische Geschehen der vergangenen Wochen in den Fokus. Selbst 1965 in Teheran geboren, rief sie den Anwesenden in Erinnerung, dass es nicht selbstverständlich sei, in einer Gesellschaft mit demokratischen Werten zu leben, frei seine Meinung zu äußern, Bücher zu lesen und ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.

Iran und Ukraine überschatten die Messe

Die Übersetzung als „Annäherung des Fremden und Einheimischen, des Bekannten und Unbekannten“, zitiert Irene Vallejo den all-time favourite der Dichter und Denker der Deutschen, Goethe. Die spanische Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin hat mit „Papyrus“ nicht nur eines der erfolgreichsten Sachbücher Spaniens geschrieben, sondern der Geschichte des Buches ein Denkmal gesetzt. Sie ist eine von rund 200 Kreativen aus der Delegation des Gastlandes.

Dessen Repräsentation wird überschattet von den Protesten im Iran und dem Ukrainekrieg. Beidem möchte man thematisch Platz einräumen an diesem Abend, aber auch auf der Messe, die noch bis Sonntag andauert. Die Ukraine ist mit einem kleinen Stand vertreten, auch russische Dis­si­den­t*in­nen werden zu Wort kommen. Die Podiumsdiskussion „Der Aufstand gegen das Mullah-Regime und was der Rest der Welt tun kann“ rückt Iran in den Fokus.

Nicht nur in diesem Jahr sagte Teheran seine Teilnahme ab, auch 2015 wollte man nicht dabei sein, wegen eines Auftritts von Salman ­Rushdie. Den im August bei einem Messerangriff schwer verletzten Rushdie würdigte der spanische Schriftsteller Antonio Muñoz Molina in seiner Rede als „furchtlosen Schriftsteller“. Muñoz Molina schlug dabei den Bogen Richtung 1991, als Rushdie wegen der gegen ihn ausgesprochenen Fatwa bereits seit zwei Jahren untergetaucht und Spanien zum ersten Mal Gastland bei der Buchmesse war.

Zehn Jahre erst war Spanien damals eine Demokratie, fünf Jahre Mitglied der EU. Welch ein Privileg es ist, auch heute noch in dieser Sicherheit leben und arbeiten zu können, dessen sei er sich bewusst, so der 66-jährige Autor.

Waren 1991 die literarischen Vertreter jedoch noch überwiegend männlich, präsentiert sich Spanien im fulminanten Gastlandpavillon heute pluralistisch: Die (binäre!) Geschlechterverteilung ist ausgeglichen, sprachlich sowie genretechnisch setzt man auf Diversität.

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