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Erneutes Massaker in SyrienMiliz soll Dorfbewohner ermordet haben

Fast zwei Wochen nach dem Massaker von Hula berichten syrische Aktivisten von einem Angriff mit vielen Toten. Das staatliche Fernsehen spricht von einem „terroristischen Verbrechen“.

Blutige Aktion: Studenten der Uni Aleppo stellen bei einer Protestaktion ein Massaker nach. Bild: reuters

DAMASKUS afp | Anderthalb Wochen nach dem Massaker von Hula haben syrische Regierungstruppen nach Angaben von Oppositionellen und Menschenrechtlern erneut ein Blutbad mit dutzenden Toten verübt. Dabei wurden am Mittwoch in dem Dorf Al-Kubeir in der Provinz Hama laut Menschenrechtlern mindestens 87 Menschen ermordet. Das syrische Staatsfernsehen sprach dagegen von einer Intrige und einem „bösartigen Verbrechen“.

Soldaten und Angehörige der mit der Armee verbündeten Schabbiha-Miliz hätten in Al-Kubeir rund 100 Menschen ermordet, darunter zahlreiche Frauen und Kinder, sagte ein Sprecher des oppositionellen Syrischen Nationalrates der Nachrichtenagentur AFP. Ein Sprecher der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte gab die Zahl der Opfer mit mindestens 87 an. Nach seinen Angaben beschoss die Armee das Dorf zunächst mit Granaten, anschließend seien Milizen ins Dorf vorgedrungen und hätten die Bewohner erstochen oder erschossen.

Die Menschenrechts-Beobachtungsstelle und der Nationalrat forderten die UN-Beobachter in Syrien auf, die Vorwürfe unverzüglich vor Ort zu untersuchen. Die syrische Regierung wies die Verantwortung für das Blutbad am Donnerstag zurück. In einer vom Staatsfernsehen verbreiteten Erklärung hieß es, was „in einigen Medien“ über die Ereignisse in Al-Kubeir verbreitet werde, sei „komplett falsch“. Vielmehr habe eine „terroristische Gruppe“ in der Region Hama in „bösartiges Verbrechen“ begangen, bei dem neun Menschen getötet worden seien.

Das Staatsfernsehen behauptete, das „Verbrechen“ sei bewusst vor einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates und anderen internationalen Treffen begangen worden, „um Druck auf Syrien auszuüben“. In dem Dorf seien Frauen und Kinder „mit gefesselten Füßen und Händen“ ermordet worden. Die syrische Armee habe ein „Versteck von Terroristen“ in Al-Kubeir angegriffen, nachdem Bewohner „Hilferufe“ abgesetzt hätten.

Am 25. Mai waren in der syrischen Kleinstadt Hula laut UNO bei Massen-Hinrichtungen mindestens 108 Menschen getötet worden, darunter zahlreiche Kinder. Die syrische Regierung wies jede Verantwortung für die Taten zurück und machte „bewaffnete Terroristen“ verantwortlich.

Assad hat keine Zukunft mehr

In Istanbul berieten am Mittwochabend Vertreter von 16 Staaten über die Lage in Syrien. Aus Teilnehmerkreisen verlautete, die Außenminister seien besorgt über die andauernden Verstöße der Regierung von Baschar al-Assad gegen den Friedensplan des internationalen Sondergesandten Kofi Annan sowie über das zunehmende Risiko von terroristischen Aktivitäten in Syrien und die Gefahr einer Ausweitung der Krise in der Region. Die Teilnehmer seien sich einig gewesen, dass Assad keine Zukunft mehr habe und den Weg für einen friedlichen Wandel in Syrien frei machen müsse.

Angesichts seines weitgehend gescheiterten Friedensplans will der Syrien-Sondergesandte Kofi Annan nach Angaben von UN-Diplomaten noch am Donnerstag eine neue Kontaktgruppe vorschlagen. Ihr sollten außer westlichen Staaten, China und Russland möglicherweise auch der Iran und andere Nahost-Staaten beitreten, hieß es bei der UNO.

Annan will am Donnerstag die UN-Generalversammlung und den UN-Sicherheitsrat über die Lage in Syrien informieren. Die USA, Frankreich und Großbritannien wiesen Forderungen zurück, den Iran an künftigen Gesprächen über den Konflikt in Syrien zu beteiligen.

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8 Kommentare

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  • HS
    Hari Seldon

    @horsti:

     

    Die Vorgehensweise: Die eigenen Verluste (Männer) werden mit den aus Rache getöteten Frauen und Kinder gemischt, genau wie in Hula. In Hula waren auch tote Männer dabei, davon 25 im Kampf mit der Armee gefallenen Rebellen. In diesem Dorf war das Muster gleich.

     

    Man muss nur lernen: Es gibt zwei verschiedenen "Arten" von Zivilisten. "Unsere Zivilisten" (die Söldner der "Freunde von Syrien/Libyen") sind "gute Zivilisten" (es zählt nicht, dass einige von Ihnen sogar auf der Liste der meitgesuchten Terroristen (wie der Militärgouverneur von Tripolis) stehen) wie die fremdfinanzierten Söldner in Libyen oder Syrien. Diese "gute Zivilisten" (Halsabschneider, usw.) sind die "Freiheitskämpfer" in den durch "die Freunden" definierten Länder, und töten Frauen, Kinder, usw. in Rahmen der "Menschenrechten". Dann gibt es "schlechte Zivilisten": Die sind die "Terroristen" wie der gerade durch Dronen getötete Libyer in Afghanisten, usw. "Menschenrechte" haben nur die westlichen Politiker, und die "gute Zivilisten". Zum Beispiel die getöteten Libyer (ca. 2% der Bevölkerung) haben natürlich keine Menschenrechte: Vae victis... Assad ist nicht wirklich mein Typ (Gaddafi war auch nicht mein Liebling), aber beide haben Recht, und Faschismus ist Faschismus auch im Mantel von "Menschenrechten".

     

    Es war kein Zufall, dass sogar Frau Merkel im Bundestag (in 2011) gesagt hat, dass ist unwahrscheinlich, dass wir noch so lange wie bis jetzt ohne Krieg auskommen können. Augenscheinlich terminieren die US-Kriegsplaner die wirklich grosse Zusammenstösse (z.B., mit China und Russlan) erst nach 2020 (Umgruppierung der Streitkräfte auf die anvisierten Hauptkriegsschauplätze, und die geplante Einführung von einigen neuen Waffensystemen durch die US, Verstärkung der "Menschenrechtbewegungen" vor Ort, usw.). Jetzt will man einige Aufmarschgebiete und Ressourcen sichern. Natürlich alles in Rahmen der "Menschenrechte".

  • HJ
    Hu Junzi

    Na, schon mal von dem tollen Sprichwort gehört:

    "Im Krieg ist die Wahrheit das erste Opfer."

     

    Mich persönlich erinnern die Berichte und Zeugenaussagen ziemlich an die Greul, welche die "bluttrinkenden, irakischen Scheusale"(dem brutalen unmenschlichen, entmenschlichten Gegener also) unter anderem bei der Invasion Kuwaits angerichtet haben sollen. "Frühchen aus den Krankenhaus-Fenstern werfen", und ähnlicher Unfug wurde in großen, rottriefenden Buchstaben verbreitet. Sogar mit "Zeugenaussagen" irgendwelcher Schauspieler vor diversen UN-Germien.

     

    Es tut mir auch irgendwie um Assad leid, so wie es aussieht wird er wohl gestürtzt werden, dieser bitterböse Tyrann, dieser Saddam II, dieser zugroß gewachse Kim Yong Il, ohne Atomwaffen, der allen Juden den tot wünscht. Tja, sowas passiert halt leicht, wenn man nicht in einer marktkonformen Demokratie unterdrückt.

     

    Aber warum gerade nun Syrien? Was hat sich den an der politischen Großwetterlage im Nahen Osten verändert?

     

    Hat der Westen nicht schon genug fette Beute mit dem Irak, hat er nicht schon genug "unsinkbare Flugzeugträger" mit Afghanistan, hat er nicht schon genug Streß mit unbequemen, neuen und noch nicht instrumentalisierten Regiemen in der Region... ein Glück, die Saudis, also eigendlich deren Pakistanis, hatten das schlimmste ja gerade noch in Bahrain verhindert... und halten bei sich zu Hause auch schön den Deckel dicht.

     

    Warum also all die Lügen, die Propaganda, die Waffenlieferung, die Kontensperrungen usw.?

     

    Es tut mir leid, aber an diesen Fragen geht der Artikel eindeutig vorbei, ich wünschte mir lieber etwas Aufklärung/Erklärung. Wie wär es mal mit ein bißchen Geopolitik Naher Osten, oder ein Interview mit einem Arabisten der nicht dem Zeitgeist hinterher hechelt und schon mal vor Ort war (bitte nicht P. Schollatur, und auch keiner der anderen Gäste von Anne Will gestern, das waren schreckliche Wasser- bzw. Wackelköpfe die nur die NATO-Propaganda einer schlecht schauspielernden Rothaarigen abgenickt haben)

     

    Ich danke sehr und wünsche weiterhin alles Gute, und hoffe auf etwas mehr kritisches Hinterfragen.

  • J
    Jojo

    In der Nacht zu Mittwoch gegen 4 Uhr griffen die militanten Islamisten in der Provinz Lakatia mehre Dörfer an. Die Dorfbewohner konnten meist fliehen.

     

    Rebellen riefen dann das erste islamistische Emirat auf syrischen Boden aus: zum Glück hielt das nur weniger als ein Tag. - Da hat man eine Ahnung was sie vorhaben.

     

    Heute Nacht von Mittwoch auf Donnerstaf wieder griffen die Islamisten die Dörfer Al Koubeir und Maarzaf an. Einige Dorfbewohner riefen das Militär zur Hilfe - da sieht man wie die Rebellen in der Bevölkerung verankert sind - die Rebellen wurden getötet.

     

    Der Angriff der Islamisten erfolgten vor der UN Sicherheitsratssitzung. Übrigens der Bericht von Annans UN Mission zu dem Massaker in Al Houla liegt noch nicht vor.

     

    Ob man will oder nicht: Assad ist mit den Wahlen vom 7.Mai und der ersten konstituierenden Sitzung des Parlaments vom 2.Juni demokratisch gewählter Präsident des Landes.

     

    Gegen den Bürgerkrieg bietet Assad folgendes an: weitere Demokratisierung und Mitbestimmung durch die Bevölkerung. Gegen ihn stehen die Hardliner z.B. der Geheimdienste und die Gotteskrieger.

    http://sana.sy/eng/21/2012/06/04/423234.htm

     

    Bisher ist Syrien noch ein Staat in dem viele Religionen teilweise sehr alte, und auch viel Stämme und Nationalitäten nebeneinander leben. Wie soll das denn werden wenn das ein Sharia Staat wird.

     

    Der Artikel des TAZ hängt sich weit aus dem Fenster. Die Behauptungen reihen sich bunt aneinander. Der Artikel vertuscht mehr als er aufdeckt.

  • HM
    Hubert Müller

    Warum schreibt auch die taz bloß dpa Meldungen ab? Die sog. "Beobachtungsstelle für Menschenrechte" in London ist bekanntermeisen eine alles andere als seriöse Quelle. Wenn schon mangels eigener Quellen deren Informationen abgeschrieben werden, sollte wenigstens deutlich darauf hingewiesen werden.

  • JO
    Jürgen Orlok

    Das Grauen vor meinen Mitbürgern ....

    So dumm kann Assad nicht sein, bei Medienhoheit seiner Gegner solche Massaker zu begehen.

    Ich habe mit Grauen so einige Artikel zum 2. Massaker an echten Zivilisten gelesen.

    Grauen wegen der Dimension und Art der Massenmorde und Grauen vor den großen Medien.

    Die Bilder von Oppositionellen zeigen merkwürdigerweise fast ausschließlich bewaffnete Terroristen. Aber seit Libyen hat das Publikum ja gelernt, daß bewaffnete Terroristen Zivilisten sind, wenn es unsere Terroristen sind. In Libyen führten NATO&Co und die libyschen Terroristen den Krieg, den das Grüne Libyen NIE geführt hat.

    Offenbar reicht es nicht, daß die NATO&Co-Medien das direkte Sprachrohr der Terroristen sind.

    Die Nachrichtenhoheit über die gewöhnlichen Nutzer, besonders in Syrien, muß total sein. Deshalb wurden die syrischen SatellitenKanäle abeschaltet. Bei Strauß ging es nur um den Stammtisch. Aber das Böse, NATO&Co , gibt ja genug Geld aus um die Waffen, Medien, für ihre Kriege zu perfektionieren.

    Die Ermordeten sollen einer Minderheit angehören, die von der Regierung dort angesiedelt wurden.

    Und die immer angeführten Einschränkungen der Berichterstattung sind auch nicht stichhaltig. Es gibt so ca 150 syrienfremde Berichterstatter.

    Die mörderischen "Freunde" Syriens wollen sich nun aus chapter 7 der UN einen Angriffskrieg gegen Syrien genehmigt bekommen. Hielten sie sich an die UN-Charta, müßten sie einen Krieg gegen sich selbst beantragen. Doch welche Massenmörder und ihre Helfer haben sich je freiwillig an den Galgen geliefert ...

    Denn das Liefern von Waffen und Medienwaffen an Terroristen durch ausländische Kräfte stellt eindeutig eine Gefährdung des Friedens dar. Stattdessen klagen die Massenmörder von NATO&Co einen Staat an, der durch Aktionen der Ankläger Schwierigkeiten hat, seine Bevölkerung vor den NATO&Co-geförderten Terroristen zu schützen.

    Meine Generation machten ihren Eltern Vorwürfe, warum sie nichts gegen Nazi-Deutschland unternommen haben.

    Meine Generation arbeitet voller Inbrunst an Neo-Kolonialkriegen und Massenmorden, getarnt als humaitärer Akt - ohne Druck der eigenen Vernichtung.

    Generation Abschaum !!!

  • H
    Horsti

    "darunter zahlreiche Frauen und Kinder"

     

    Achso, tote Männer sind dagegen ok, oder wie?

  • HS
    Hari Seldon

    Beim Massaker in Hula war die Vorführung gleich: "Artilleriebeschluss durch die Armee, dann die Milizen". Dann hat es sich herausgestellt, dass die Killermilizen gerade die Rebellenmilizen waren, und töteten regierungstreue Familien. Als Beilage wurden Bilder aus 2003, Irak veröffentlicht. Lügen, Hetzen, und Volksverdummung hoch fünf. Aber die Lügen flogen sehr schnell auf. Jetzt kommt eine besser organisierte nächste Runde. Die Frage stellt sicj immer: Cui bono? Ganz sicher nicht im Interesse der Bevölkerung in Syrien.

     

    Zitat aus dem Artikel: "In Istanbul berieten am Mittwochabend Vertreter von 16 Staaten über die Lage in Syrien". Bitte, könnte uns TAZ erzählen welche Mandat diese 16 Staaten bezüglich Syrien hätten? Syrien ist ein souveräner Staat, und nicht die Kolonie von diesen 16 Staaten. Vielleicht sollten diese Staaten die UN-Charta studieren ("nich Einmischung in die inneren Angelegenheiten von souveränen Staaten"). Ausserden sollten vielleicht diese 16 Staaten nicht mit Waffen und Geld die Terrorbanden in Syrien unterstützen.

  • N
    Niels

    Rechtschreibfehler in der Überschrift. "Dorfbewohner" Kommentar meinerseits muß nicht veröffentlicht werden.

    Gruß

    Niels