: Erneut Anschläge auf Asylbewerber
■ Diesmal in Hamburg und Hannover/ Städtetag warnt vor „rechten Rattenfängern“/ Schäuble: Menschen dürfen nicht „überfordert“ werden/ Heute Allparteiengespräch über Asylgesetz
Berlin (taz) — Die Hatz auf Ausländer in der Bundesrepublik nimmt kein Ende. In der Nacht zum Donnerstag haben sechs bis acht vermummte Männer ein von Aussiedlern bewohntes Containerdorf in Hamburg mit Farbflaschen beworfen und die Scheiben von drei Türen eingeschlagen. Menschen wurden bei diesem Angriff nicht verletzt, teilte ein Polizeisprecher gestern mit. Nach den bisherigen Ermittlungen trug ein Teil der Farbflaschen die Aufschrift „FAP“, was laut Polizei auf die rechtsradikale „Freiheitliche Arbeiterpartei“ hinweise. In dem Containerdorf südlich von Hamburg leben 430 Aussiedler aus Ostblockstaaten.
Ebenfalls in der Nacht zum Donnerstag wurde von bislang Unbekannten ein Anschlag auf eine Asylbewerberunterkunft in Hannover verübt. Dabei wurden drei Fensterscheiben durch Pflastersteine zertrümmert; von den 60 Asylbewerbern wurde nach Angaben der Polizei niemand verletzt.
Nach Informationen der taz ist letzten Freitag oder Samstag ein Mosambikaner in Hoyerswerda von Rechtsradikalen oder von Skinheads angeschossen worden. Der in einem Wohnheim in der Albert-Schweitzer-Straße lebende Gastarbeiter soll demnach beim Radfahren von hinten in den Rücken getroffen worden sein. Polizeisprecher Kießling bestätigte den Anschlag. Der Schuß sei aus einer „Luftdruckpistole“ abgegeben worden. Mehr allerdings wisse er nicht.
Das Krankenhaus in Hoyerswerda war zu einer Auskunft nicht bereit.
Unterdessen ging der Streit um die sechzehn Asylbewerber aus Sachsen, die am Dienstag unter noch nicht völlig geklärten Umständen nach Hannover kamen, weiter. Niedersachsens Bundesratsminister Jürgen Trittin (Die Grünen) kündigte gestern an, er werde zusammen mit Sachsen das Schicksal der Flüchtlinge klären, die derzeit in Braunschweig untergebracht sind. Trittin sagte, eine Befragung der sechzehn Asylbewerber aus Hoyerswerda hätte ergeben, daß sie mit Bussen nach Pirna gebracht worden seien. Dort hätten sie durch Zufall ein Wohnheim gefunden, in dem sie die Nacht verbrachten. Am Morgen seien sie dann mit dem Zug nach Hannover gefahren.
„Verlegung ist keine Kapitulation“
Der sächsische Innenminister Rudolf Krause hat die Verlegung von 230 Asylbewerbern aus Hoyerswerda in eine Bundeswehrkaserne als „Schutzmaßnahme für die Ausländer“ bezeichnet. Am Mittwoch abend behauptete der CDU-Politiker, die Verlegung „ist keine Kapitulation des Rechtsstaates“.
In einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) gestern, Deutschland solle ein ausländerfreundliches Land bleiben. „Aber das heißt natürlich auch, daß wir das nur bleiben können, wenn wir die Menschen nicht überfordern.“ Welche Menschen wodurch „überfordert“ werden könnten, sagte Schäuble nicht.
Herbert Schmalstieg (SPD), Vizepräsident des Deutschen Städtetages, forderte eine Übereinkunft bei dem heutigen Allparteiengespräch zur Asylproblematik. Ansonsten bestehe die Gefahr, daß „rechte Rattenfänger“ obsiegten. Schmalstieg forderte zudem eine Verkürzung der Asylverfahren, lehnte aber eine Grundgesetzänderung strikt ab. Thorsten Schmitz
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