Erneuerbare Energien in Spanien: Private Solaranlagen? Unerwünscht!
In Spanien könnten beim Eigenverbrauch des Solarstroms bald so hohe Gebühren anfallen, dass dieser sich kaum lohnt.
MADRID taz | Auf der diesjährigen Genera, der Fachmesse für Erneuerbare Energien in Madrid, kennen alle nur ein Thema – den Eigenverbrauch von Strom aus Erneuerbaren. Denn der wäre, so sind sich die Produzenten und Installateure von Photovoltaikanlagen in Spanien sicher, der Weg aus ihrer Krise. Doch die konservative Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy spielt nicht mit: Sie zögert seit nunmehr drei Jahren eine gesetzliche Regelung für den Eigenverbrauch hinaus. Und was da in den Schubladen des Industrieministeriums schlummert, ist alles andere als vielversprechend.
„Gebühr für die Unterstützung durch das Gesamtsystem“ heißt die Formel, mit der die Regierung alle Träume vom eigenen Strom zunichte macht. Mit dieser Gebühr sollen die Kosten für Kraftwerke bezahlt werden, die als Back-up bereitstehen, falls etwa die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht bläst.
„Es ist eine Steuer auf die Sonne“, beschwert sich Anwalt Piet Holtrop, der im Auftrag von Fachverbänden und einer Bürgerinitiative gegen die Regierungspolitik Beschwerde in Brüssel eingereicht hat. Als nicht autarke Endverbraucher zahlen auch diejenigen, die ihre eigenen Solarpanels auf dem Dach haben, für dieses Back-up bereits über die Grundgebühr für den Stromanschluss. Sie würden doppelt zur Kasse gebeten werden. Wer seine Anlage nicht anmeldet, soll mit Bußgeldern bis zu 600.000 Euro belegt werden.
„Die Regierung will den Eigenverbrauch um jeden Preis verhindern“, sagt Holtrop. Sollte der selbst erzeugte Strom mit so hohen Gebühren belastet werden, wie sie gerade im Industrieministerium im Gespräch sind, liegt die tatsächliche Einsparung gerade einmal bei 30 Prozent. Bei Spaniens Sonneneinstrahlung wäre es eigentlich möglich, eine private Anlage in ungefähr sechs Jahren zu amortisieren. Mit der Gebühr würde es 15 bis 20 Jahre dauern. „Wenn diese Regelung tatsächlich kommt, wird das viele abschrecken“, sagt Holtrop.
Auch in Deutschland gibt es eine Abgabe auf Eigenverbrauch
Auch in Deutschland hat die Bundesregierung im August 2014 eine Abgabe auf Eigenverbrauch eingeführt – von Kritikern ebenfalls „Sonnensteuer“ genannt: Wer seinen Solarstrom vom Dach selbst nutzt, muss aktuell knapp 2 Cent je Kilowattstunde an die Netzbetreiber abführen. Allerdings sind Kleinanlagen mit einer Leistung von weniger als 10 Kilowatt davon befreit, so dass sich in diesem Marktsegment der Preisvorteil des Stroms vom eigenen Dach weiterhin voll ausschöpfen lässt.
Die Sonnenenergie-Branche muss für ein positives Beispiel zudem nur ins benachbarte Portugal blicken: Dort werden Anlagen bis zu einem Megawatt (MW) für den Eigenverbrauch ohne Gebühr zugelassen. Wer Überschuss einspeist und später aus dem Netz konsumiert, bekommt 90 Prozent des eingespeisten Stroms kostenlos zurück.
Die Konservativen haben in Spanien alles getan, um den Ausbau der Erneuerbaren abzuwürgen. Anfang 2012 erließen sie ein Moratorium, das besagt, dass Neuanlagen keine Einspeisevergütung mehr erhalten. Bei bestehenden Altanlagen wurde diese gekürzt. Bei der Photovoltaik betrifft dies vor allem Kleinanleger, die sich zu Kooperativen für den Betrieb von Solarparks zusammengetan haben. Viele von ihnen können die Kredite nicht mehr abbezahlen. Ihnen droht die Pfändung durch die Banken.
Der Photovoltaikmarkt ist in den vergangenen Jahren zum Erliegen gekommen, Tausende Arbeitsplätze gingen verloren. In Spanien waren Ende 2013 5.340 MW installiert, im sonnenärmeren Deutschland waren es 35.700 MW. Und während in Deutschland 2013 3.300 MW hinzukamen, zählen die Spanier 118 MW. Und selbst diese Zahl ist noch zu hoch. Werden alle Anlagen abgezogen, die bereits im Jahr zuvor fertiggestellt worden waren, aber erst 2013 registriert wurden, verbleiben ganze 7 MW an Neuinstallationen.
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